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Aus: Ausgabe vom 28.04.2025, Seite 11 / Feuilleton
Literatur

Ein Satz aus dem Herzen

Realistisch und poetisch: Vor 125 Jahren wurde der Schriftsteller Bruno Apitz geboren
Von F.-B. Habel
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Man ist schließlich neugierig: Schriftsteller Bruno Apitz (M.) an seinem 75. Geburtstag (Berlin, 28.4.1975)

»Ich will leben (…) man ist ja schließlich neugierig, was danach kommt«, sagt der Lagerälteste Krämer im KZ Buchenwald kurz vor der Befreiung. Bruno Apitz hat es so geschrieben in seinem Roman »Nackt unter Wölfen«, der 1958 in der DDR erschien, anschließend von Millionen von Lesern in mehr als 30 Sprachen gelesen, mittlerweile drei Mal verfilmt wurde und bis 1990 in der DDR in 77 und in der BRD immerhin in elf Auflagen erschien. Krämers Satz kam ihm aus dem Herzen, denn er hatte selbst deutsche Konzentrationslager durchleiden müssen, war alleine acht Jahre in Buchenwald.

In Leipzig kam Apitz am 28. April vor 125 Jahren zur Welt und wuchs mit elf älteren Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen als Sohn einer Waschfrau auf. Im Krieg konnte er den Beruf des Stempelschneiders erlernen, tat sich mit Antikriegspropaganda hervor, was ihm Gefängnishaft einbrachte und engagierte sich 1919 für Karl Liebknecht und Streikende. Im Jahre 1927, als er in die KPD eintrat, begann er zu schreiben, leitete eine Zeitlang den Zentralverlag der Roten Hilfe. Verhaftungen durch die Nazis 1933 und 1934 folgte die Lagerhaft bis Kriegsende.

In der DDR arbeitete Apitz als Theaterleiter und als Dramaturg bei der Defa, der er den Stoff von »Nackt unter Wölfen« vergeblich anbot. Nachdem er zuvor vornehmlich Dramatik gestaltet hatte, war die Ablehnung der Anstoß, sich an einen Roman zu wagen. Er schrieb auf, was er erlebt und gehört hatte. Die Geschichte des Jungen, den Häftlinge vor der SS versteckten, war ihm zugetragen worden. Apitz konnte daran eine Handlung knüpfen, die realistisch und poetisch zugleich war, gestaltete aufrechte wie auch widersprüchliche Charaktere – bester Stoff für Schauspieler, meinte Armin Mueller-Stahl, der 1962/63 in der zweiten Adaption des Romans unter Frank Beyers Regie eine der Hauptrollen spielte. Bruno Apitz, der in jungen Jahren Schauspieler gewesen war, übernahm die kleine Rolle eines Häftlings, der bei der Befreiung tanzend zusammenbricht.

»Wer nach Verborgenem sucht, kriecht in Winkel, geht aber an dem vorüber, was ihm vor der Nase liegt …«, schrieb Bruno Apitz in seinem Roman, als hätte er geahnt, wie ihm nach seinem Tod mit 79 Jahren im vereinigten, aber nicht geeinten Deutschland am Zeug geflickt würde. Seit den 1990er Jahren wurde in viele Winkel gekrochen, um dem Autor Vorwürfe machen zu können, die Wahrheit über die Befreiung Buchenwalds verfälscht und das Buchenwaldkind für literarische Zwecke missbraucht zu haben. Richtig ist, dass Apitz keinen Tatsachenbericht, sondern einen Roman schrieb, und dass er Stefan Jerzy Zweig, dem damals Vierjährigen, der im vergangenen Jahr starb, in den 1960er Jahren ein Studium an der Babelsberger HFF vermittelte.

Bruno Apitz schrieb auch eine Novelle über eine tragische Liebe im KZ. »Esther« wurde 1962 mit Gisela May und Reimar Joh. Baur verfilmt und 1966 als Oper von Robert Hanell und Günter Deicke an der Deutschen Staatsoper zur Uraufführung gebracht. Sie hätte Opernbesuchern auch heute noch viel zu sagen.

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