Blockaden gegen Justiz
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
In Guatemala werden die Proteste gegen die rechte Justiz des Landes nochmals kräftig angeheizt. Schon seit längerem hatte die Landarbeiterorganisation Codeca für diesen Montag erneute Straßenblockaden angekündigt, um den Rücktritt der korrupten Staatsanwaltschaft und ein Ende der auch unter Präsident Bernardo Arévalo fortgesetzten Enteignungen von Gemeindeland zu fordern. Doch die oberste Anklagebehörde hat noch einmal Öl ins Feuer gegossen, als sie am vergangenen Mittwoch zwei Festnahmen im Zusammenhang mit den Protesten und Blockaden vom Oktober 2023 vollstreckte.
Betroffen waren der amtierende Vizeminister für Bergbau und Energie, Luis Pacheco, sowie Héctor Chaclán, die beide aus dem Departamento Totonicapán kommen. Sie waren dort im Jahr 2023 im Vorstand der indigenen Selbstverwaltungsstruktur »48 Kantone« gewesen. Diese und weitere indigene Autoritäten hatten damals mit wochenlangen Straßensperren auf den »technischen Staatsstreich« reagiert, mit dem die Übernahme des höchsten Staatsamtes durch den Sozialdemokraten Arévalo verhindert werden sollte. Pacheco war damals Vorsitzender und Chaclán Finanzverantwortlicher der Organisation, deren Vorstand jährlich wechselt. Es gibt mindestens drei weitere Haftbefehle, wie in der Presse berichtet wurde: unter anderem gegen Edgar Tuy, den ehemaligen indigenen Bürgermeister von Sololá, und neben Pacheco die zweite zentrale Person der Proteste von 2023. Tuy genießt als aktueller Gouverneur von Sololá allerdings Immunität.
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft haben es in sich. Ermittelt wird unter anderem wegen »Terrorismus, Behinderung der Justiz und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung«, hieß es in den Medien. Pacheco und Chaclán wurden am Freitag nach einer verzögerten richterlichen Anhörung, die eigentlich schon am Donnerstag hätte stattfinden müssen, in Untersuchungshaft überführt. Den Berichten zufolge drohen ihnen bis zu 30 Jahre Haft. Manuel Lacan, im vergangenen Jahr Vizepräsident der »48 Kantone«, erklärte am Mittwoch gegenüber jW, Pacheco und Chaclán hätten stellvertretend für das Volk von Totonicapán gehandelt, das in Versammlungen kollektiv den Widerstand beschlossen hatte. Wenn die Staatsanwaltschaft Verantwortliche für die Blockaden inhaftieren wolle, müsse sie »das Volk von Totonicapán festnehmen«.
Nahezu alle linken und sozialen Bewegungen in Guatemala haben die Festnahmen deutlich verurteilt. Staatspräsident Arévalo äußerte sich ebenfalls am Mittwoch gegenüber den Medien. Dabei wandte er sich an die Abgeordneten und erinnerte an zwei Gesetzesinitiativen, die den »Missbrauch der Macht durch die kriminelle Staatsanwaltschaft beenden könnten«, die aber bisher nicht vom Parlament beschlossen wurden. Das liege in »Ihren Händen«. Die Staatsanwaltschaft sei »eine Bande von Verbrechern«. Angel Pineda, Generalsekretär der Staatsanwaltschaft, kündigte am Donnerstag prompt an, aufgrund dieser Aussagen juristisch gegen Arévalo wegen »Behinderung der Justiz« vorzugehen.
Es gibt aber auch Stimmen, die Arévalo vorwerfen, unzureichend auf die Situation zu reagieren. Der Journalist Juan Luis Font vom Nachrichtenmagazin Con Criterio, der seit 2022 im Exil lebt, erklärte in einer Videobotschaft, Arévalo müsse der Provokation durch die Staatsanwaltschaft »konkrete Handlungen« folgen lassen. Denn: »Worte reichen gegen die Diktatur der Justiz nicht aus.« Die Generalstaatsanwaltschaft um die Juristin Consuela Porras hatte eine führende Rolle bei dem versuchten Staatsstreich von 2023 gespielt. Dennoch sind ihre Vertreter weiterhin im Amt.
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Leserbrief von Nayara M. & Freundinnen aus Berlin (28. April 2025 um 15:59 Uhr)Der Artikel ist wie immer sehr interessant und engagiert geschrieben. Es ist an der Zeit, den Korrespondenten, den freien und festen Journalisten, vor allem den Redakteuren der Auslandsredaktion der jungen Welt, für Ihre täglichen informativen Artikel aus Lateinamerika zu danken und da denken meine Freundinnen und ich insbesondere auch an die Artikel über unser Heimatland El Salvador. Wir verfolgen täglich die Berichterstattung der jungen Welt, wobei uns oft auffällt, dass sich diese sehr wohltuend positiv abhebt gegenüber der Qualität und Quantität großer überregionaler Medien wie der Süddeutschen Zeitung, der Frankfurter Allgemeinen oder der Welt. Nicht nur wird in der jungen Welt über die sozialen Probleme der armen Landbevölkerung wie der indigenen Einwohner realitätsnah und nachvollziehbar geschrieben, es kommen selbst auch die Vertreter der Bürgerrechtsorganisationen, der Verbände, Vereine, Initiativen zu Wort, die sich offensiv für die Interessenvertretung der Unterdrückten, Benachteiligten, Ausgebeuteten und Verfolgten engagieren. Diese Form der Berichterstattung aus der Perspektive des Volkes und nicht der Herrschenden findet sich in der Themenwahl und Positionierung für die Interessen der Armen und Ärmsten in den Staaten Mittel- und Südamerikas sowie der Karibik in den großen bürgerlichen Massenmedien der reichen Medienunternehmer verständlicherweise nicht wieder. Gerade deswegen ist die junge Welt als genossenschaftliches Produkt von und für ihre Leser so wertvoll. Ich bitte Verlag und Redaktion: Schreibt weiter im Geiste der Ideen von Ernesto Che Guevara und Fidel Castro, Ihres Wirkens in Wort und Tat.
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