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Aus: Ausgabe vom 23.04.2025, Seite 10 / Feuilleton

Engel, Glatzeder

Von Jegor Jublimov
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Ach, du meine Güte: Winfried Glatzeder im Kino in Chemnitz

Wir verdanken ihm kluge Fernsehadaptionen von Büchern des Petrograder Autors Konstantin Simonow (»Einige Tage ohne Krieg«, 1975), Theodor Fontanes (»Schach von Wuthenow«, 1977) oder des früh verstorbenen Jungkommunisten Rudolf Braune (»Susi oder Das verschenkte Girl«, 1980). Hinzu kommen zahlreiche Gegenwartsfilme (»Wir sind fünf«, »Jonny kommt«, beide 1988) sowie Dokumentarfilme über den Sänger Gundi Gundermann (1983, 1999). Aber wer ist dieser Richard Engel eigentlich? Bekannt ist, dass er am 23. April 1940 in einer kleinen Hafenstadt bei Marseille zur Welt kam. Weniger bekannt, dass seine Eltern, eine links orientierte Holländerin und ein deutscher Kommunist, damals in der Résistance gegen die deutschen Besatzer arbeiteten. Kennengelernt hatten sich die jungen Leute in den Internationalen Brigaden in Spanien, wo sie für die Republik kämpften. Vater Rudolf Engel übernahm nach seiner Rückkehr in die Sowjetische Besatzungszone Funktionen bei der 1948 gegründeten Defa, in der Akademie der Künste der DDR und für die UNESCO. Sohn Richard, der in seiner Kindheit nur Französisch sprach und sich Deutsch mühsam aneignete, interessierte sich für Malerei und Fotografie, ehe er schließlich an der Babelsberger Filmhochschule studierte und dann zum DFF ging. Bei einer gemeinsamen Arbeit lernte er die Schauspielerin Petra Kelling kennen, mit der er nun seit über 60 Jahren verheiratet ist. Beide haben oft zusammengearbeitet, und die gemeinsame Tochter Nadja Engel hat das Talent der Eltern geerbt.

Was haben der Tramp Charlie Chaplin, die als »Dick und Doof« verkannten Stan Laurel und Oliver Hardy, der Stadtneurotiker Woody Allen und Rowan Atkinson alias Mr. Bean gemeinsam? Sie sind gleichermaßen skurrile Helden im Film wie in Comics. Da reiht sich 2025 auch Winfried Glatzeder ein. Wie das? Er spielte 1975 die Titelrolle in Rainer Simons Film »Till Eulenspiegel«. Da nun die Abrafaxe, Comichelden aus der DDR, ihr 50. Jubiläum feiern, sind sie im Geburtstagsheft Nr. 589 auch auf Eulenspiegel getroffen. Der Zeichner hat ihn gut getroffen und natürlich auch Glatzeders eingedrückte Nase als Markenzeichen nicht vergessen. Bereits in Etuden an der Filmhochschule übernahm Glatzeder erste Filmrollen, wurde mit »Zeit der Störche« (1971), »Der Mann, der nach der Oma kam« (1972) und »Die Legende von Paul und Paula« (1973, dem Lieblingsfilm von Angela Merkel) ein Publikumsfavorit der jungen Generation. Als es ihm 1981 in der DDR zu langweilig wurde, konnte er ab 1983 im Westen Fuß fassen, aber außer dem Paul Levi in Margarethe von Trottas »Rosa Luxemburg«-Film (1986) bekam er kaum anspruchsvolle Rollen, so dass er es 1991/92 noch einmal bei der Defa versuchte. Immerhin verdiente er jetzt gut, worauf es ihm schon in der DDR angekommen war, als er seinem anderthalbjährigen Sohn Robert für 75 DDR-Mark einen Drehtag vermittelte. Nun gab es mehr, zumal er 2014 und 2024 für RTL ins »Dschungelcamp« zog. Die Strapazen werden immer gut entlohnt. Auch, wenn der bekennende Hypochonder am Sonnabend 80 wird, macht er zu Angela Merkels Freude noch eine Weile weiter. Am besten im Comic!

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