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Aus: Ausgabe vom 22.04.2025, Seite 16 / Sport
Radsport

Unverhofft kommt oft

Karfreitag und Ostersonntag im Profiradsport: Der Brabantse Pijl und das Amstel Gold Race
Von Holger Römers
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Sie ist wieder da: Elisa Longo Borghini

Bevor mit dem Amstel-Gold-Rennen am Sonntag der erste sogenannte Ardennenklassiker anstand, war der Freitag im Straßenradsport von Comebacks geprägt. Elisa Longo Borghini (UAE Team ADQ) kehrte beim 10. Brabantse Pijl der Frauen aus einer durch eine Hirnerschütterung erzwungenen Pause zurück. Auf dem 126 Kilometer langen Parcours, der in drei hügeligen Schlussrunden à 20 Kilometer gipfelte, erwies sich schnell, dass die Vorjahressiegerin ihre bestechende Frühjahrsform konserviert hatte: Nachdem die zweite Passage an der Moskesstraat, dem schwersten Anstieg, das Peloton gesprengt hatte, schloss die 33jährige Italienerin an der bald folgenden Holstheide allein zu einigen Ausreißerinnen auf. Zwar ließ sich die Gruppe allmählich einfangen, doch beim dritten Ritt über die Moskesstraat blieb eine weitere Attacke Longo Borghinis unbeantwortet, woraufhin sie zehn Kilometer solo zum Sieg fuhr.

Im 65. Männerrennen gab Remco Evenepoel (Soudal Quick-Step) sein durch schwere winterliche Trainingsverletzungen verzögertes Saisondebüt, wobei der 25jährige Belgier bei der ersten Fahrt über die Moskesstraat prompt eine Beschleunigung seines fünf Jahre älteren Landsmanns Wout van Aert (Team Visma – Lease a Bike) parierte. Das wiederholte sich unter umgekehrten Vorzeichen an der Holstheide, bevor Evenepoel mit Mühe einen zusätzlichen Konter van Aerts neutralisierte. Etwa 30 Kilometer vermochte der talentierte Joseph Blackmore (Israel – Premier Tech), beiden zu folgen, dann kam es in Overijse nach insgesamt 163 Kilometern zum Zweiersprint, in dem sich der als sprintschwach geltende Evenepoel völlig unerwartet durchsetzte.

So begann er zwar als Debütant, aber zugleich als Topfavorit das 59. Amstel-Gold-Rennen – was freilich nicht verhinderte, dass er schlecht positioniert war, als 47 Kilometer vorm Ziel eine Vorentscheidung fiel: Am Gulperberg griff Julian Alaphilippe (Tudor Pro ­Cycling Team) so energisch an, dass nur der zweite Topfavorit, Tadej Pogačar (UAE Team Emirates – XRG), folgen konnte. Und als der Sieger von 2023 seinerseits nach fünf Kilometern den Franzosen abschüttelte, schien das Rennen entschieden.

Nach weiteren zehn Kilometern setzte sich Mattias Skjelmose Jensen (Lidl-Trek) aus der Verfolgergruppe ab und hatte auf diese bald zehn Sekunden Vorsprung. Doch sein Rückstand auf den 26jährigen Slowenen fiel nicht unter eine halbe Minute. Deshalb konnte der zwei Jahre jüngere Däne froh sein, dass 25 Kilometer vorm Ziel ­Evenepoel aufschloss und ihn ins Schlepptau nahm. Auch das änderte zunächst wenig an Pogačars Vorsprung – bis er doch zu schmelzen begann. Nach der zweiten Passage des Caubergs, der dieses Rennen durch Niederländisch-Limburg prägt, lag das Duo 14 Sekunden zurück. Acht Kilometer vorm Ziel geschah gar das Undenkbare: Pogačar wurde bei einem Eintagesrennen, bei dem er zur Solofahrt angetreten war, eingeholt! Da am Cauberg, der zwei Kilometer vorm Ziel zum letzten Mal zu bewältigen war, Attacken ausblieben, brachte der Sprint die Entscheidung, wobei Skjelmose Jensen alle schockierte, indem er nach insgesamt 256 Kilometern wenige Zentimeter vorm slowenischen Weltmeister die Linie überrollte.

Beim 11. Amstel-Frauenrennen hatte sich dagegen früh ein Überraschungssieg abgezeichnet. Die Topfavoritinnen, zu denen neben Longo Borghini die Siegerinnen der beiden Vorjahre, Marianne Vos (Team Visma – Lease a Bike) und Demi Vollering (FDJ – Suez), gehörten, zeigten sich nämlich nie entschlossen, die gut anderthalb Minuten Vorsprung von knapp zwei Dutzend Ausreißerinnen zu reduzieren. Das eröffnete Vollerings Kollegin Juliette Labous eine Siegchance, die sie offenkundig ergreifen wollte, indem sie bei der vorletzten Passage des Caubergs, 22 Kilometer vorm Ziel, attackierte und sich eine Sechsergruppe abspaltete. Die 26jährige Französin konnte am Geulhemmerberg denn auch als einzige einen Angriff der zwei Jahre jüngeren Niederländerin Puck Pieterse (Fenix-Deceuninck) mitgehen, bevor das Duo nach kurzer Abfahrt allmählich zum Quintett anwuchs.

Dann gelang der 38jährigen niederländischen Zeitfahrspezialistin Ellen van Dijk (Lidl-Trek) das Ausreißen und kurz darauf auch ihrer 14 Jahre jüngeren Landsfrau Mischa Bredewold (Team SD Worx – Protime). Zu zweit fuhren sie kaum zehn Sekunden Vorsprung heraus, der jedoch reichte, um die Verfolgerinnen bis ins Ziel auf Distanz zu halten. Dort konnte Bredewold nach einer siegreichen Attacke an der Schlusspassage des Caubergs ungestört jubeln. Amstel-Debütantin Pieterse vervollständigte schließlich das niederländische Podium.

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