Goldrausch
Von Helmut Höge
»Nach Golde drängt / Am Golde hängt / Doch alles!« ließ Goethe im »Faust« seufzen (»Ach wir Armen!«). Schiller meinte: »Der beste Kaufmann ist der Krieg. Er macht aus Eisen Gold.«
Der mongolische Goldtagebau Boroo befindet sich zu 95 Prozent im Besitz des kanadischen Bergbauunternehmens Centerra Gold. Dort in der Nähe wurden 50 illegale Goldminen geschlossen, nachdem das ganze Wasser mit Zyanid vergiftet worden war. In der Mongolei gehört es zum Familienwochenendvergnügen, an einem Fluss zu picknicken und nebenbei den Ufersand durchzusieben auf der Suche nach Gold. Die professionellen Schürfer werden Ninjas genannt, es soll etwa 30.000 von ihnen geben, »und ihre Zahl wächst jedes Jahr um etwa 5.000«, behauptet moneygold.de. »In der Mongolei herrscht ein regelrechter Goldrausch. Viele Mongolen haben ihren ursprünglichen Job gekündigt, um in einer der internationalen Bergbaufirmen zu arbeiten, die in die Stadt gekommen sind, beispielsweise Anglogold.«
Der kanadische Bergbaukonzern Ivanhoe Mines beutete eine Goldmine in der Mongolei aus und sollte wegen seiner Investitionen erst nach zehn Jahren Steuern zahlen. Schon nach neun Jahren war die Lagerstätte jedoch erschöpft. Der Konzern schloss sie. Die Bürger waren darüber so erbost, dass sie das halbe Regierungszentrum von Ulaanbaatar in Schutt und Asche legten. Das australische Bergbauunternehmen Rio Tinto setzte sich dann in der Wüste Gobi fest, wo es schon vor 20 Jahren galt, ein großes Gold- und Kupfervorkommen in Ojuu Tolgoi (»türkisfarbener Hügel«) auszubeuten. Der Konzern hält Anteile an Ivanhoe Mines in Höhe von 51 Prozent.
Glaubt man moneygold.de, sind »Bergbauunternehmen aus der ganzen Welt von der Gobi angezogen wie Haie vom Blut. Heute arbeiten 18 Bohrgeräte und 200 Leute rund um die Uhr auf Ivanhoes Ojuu Tolgoi, dem größten Bergbau-Explorationsprojekt der Welt.« Saudi-Arabien übernahm den Bau einer Straße dorthin, die Mongolei bezahlte ihren Bau mit Falken.
Als der junge Schamane Sukhbaatar Tughsbayar Berlin besuchte, erzählte er mir eine Goldgeschichte. In der Nähe des mongolischen Flusses Tuul gab es eine kleine Lagerstätte, die einem Mongolen gehörte, für den etwa 20 Bergleute arbeiteten. Sie verdienten gut, aber es ging ihnen nicht gut. Einer kontaktierte den Schamanen Tughsbayar. In der Mine fühlte er, »dass der Berggeist sehr böse wegen des Eingriffs war. Ich habe andere Arbeiter gefragt. Denen ging es ähnlich.« Der Minenbesitzer meinte nur: Ihr müsst weiterarbeiten, ihr verdient ja gutes Geld, und dann wird auch euer Leben besser. Tughsbayar musste eine Entscheidung treffen: »Mehrmals vollzog ich einen Ritus, um mit dem Berggeist zu kommunizieren. Ich wollte den Menschen nicht ihre Arbeit nehmen, aber der Schacht musste irgendwann dichtgemacht werden. Während des Rituals begann dann schwerer Regen. Als ich Monate später an den Ort zurückkehrte, hatte man den Schacht aufgegeben.«
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