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Aus: Ausgabe vom 19.04.2025, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Rohstoffquellen beherschen

Lenin 1916: Schutzzölle können Schritte zur Monopolbildung sein. Dem Großkapital geht es um natürliche Ressourcen, Kapitalexport und Einflusssphären
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Deutsches Bergwerk im 16. Jahrhundert: Von einem Stufenrad angetriebene Wasserpumpe

Wir haben gesehen, dass der Imperialismus seinem ökonomischen Wesen nach Monopolkapitalismus ist. Schon dadurch ist der historische Platz des Imperialismus bestimmt, denn das Monopol, das auf dem Boden der freien Konkurrenz und eben aus der freien Konkurrenz erwächst, bedeutet den Übergang von der kapitalistischen zu einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation. Es sind insbesondere vier Hauptarten der Monopole oder Haupterscheinungsformen des Monopolkapitalismus hervorzuheben, die für die in Betracht kommende Epoche charakteristisch sind.

Erstens: Das Monopol ist aus der Konzentration der Produktion auf einer sehr hohen Stufe ihrer Entwicklung erwachsen. Das sind die Monopolverbände der Kapitalisten, die Kartelle. Syndikate und Trusts. Wir sahen, welch gewaltige Rolle sie im heutigen Wirtschaftsleben spielen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewannen sie in den fortgeschrittenen Ländern das völlige Übergewicht, und wenn die ersten Schritte auf dem Wege der Kartellierung zuerst von Ländern mit hohen Schutzzöllen (Deutschland, Amerika) getan wurden, so hat England mit seinem Freihandelssystem nur wenig später dieselbe grundlegende Tatsache aufzuweisen: die Entstehung der Monopole aus der Konzentration der Produktion.

Zweitens: Die Monopole haben in verstärktem Maße zur Besitzergreifung der wichtigsten Rohstoffquellen geführt, besonders in der ausschlaggebenden und am meisten kartellierten Industrie der kapitalistischen Gesellschaft: der Kohlen- und Eisenindustrie. Die monopolistische Beherrschung der wichtigsten Rohstoffquellen hat die Macht des Großkapitals ungeheuer gesteigert und den Gegensatz zwischen der kartellierten und nichtkartellierten Industrie verschärft.

Drittens: Das Monopol ist aus den Banken erwachsen. Diese haben sich aus bescheidenen Vermittlungsunternehmungen zu Monopolisten des Finanzkapitals gewandelt. Drei bis fünf Großbanken einer beliebigen der kapitalistisch fortgeschrittensten Nationen haben zwischen Industrie- und Bankkapital eine »Personalunion« hergestellt und in ihrer Hand die Verfügungsgewalt über Milliarden und aber Milliarden konzentriert, die den größten Teil der Kapitalien und der Geldeinkünfte des ganzen Landes ausmachen. Eine Finanzoligarchie, die ein dichtes Netz von Abhängigkeitsverhältnissen über ausnahmslos alle ökonomischen und politischen Institutionen der modernen bürgerlichen Gesellschaft spannt – das ist die krasseste Erscheinungsform dieses Monopols.

Viertens: Das Monopol ist aus der Kolonialpolitik erwachsen. Den zahlreichen »alten« Motiven der Kolonialpolitik fügte das Finanzkapital noch den Kampf um Rohstoffquellen hinzu, um Kapitalexport, um »Einflusssphären«, d. h. um Sphären für gewinnbringende Geschäfte, Konzessionen, Monopolprofite usw. – und schließlich um das Wirtschaftsgebiet überhaupt. Als z. B. die europäischen Mächte mit ihren Kolonien erst den zehnten Teil von Afrika besetzt hatten, wie es noch 1876 der Fall war, da konnte sich die Kolonialpolitik auf nichtmonopolistische Weise entfalten, in der Art einer sozusagen »freibeuterischen« Besetzung des Landes. Als aber neun Zehntel Afrikas bereits besetzt waren (gegen 1900), als die ganze Welt verteilt war, da begann unvermeidlich die Ära des monopolistischen Kolonialbesitzes und folglich auch eines besonders verschärften Kampfes um die Aufteilung und Neuaufteilung der Welt.

Wie sehr der monopolistische Kapitalismus alle Widersprüche des Kapitalismus verschärft hat, ist allgemein bekannt. Es genügt, auf die Teuerung und auf den Druck der Kartelle hinzuweisen. Diese Verschärfung der Gegensätze ist die mächtigste Triebkraft der geschichtlichen Übergangsperiode, die mit dem endgültigen Sieg des internationalen Finanzkapitals ihren Anfang genommen hat.

Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren Anzahl kleiner oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche oder mächtige Nationen – all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die uns veranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu kennzeichnen. (…) Es wäre ein Fehler, zu glauben, dass diese Fäulnistendenz ein rasches Wachstum des Kapitalismus ausschließt; durchaus nicht, einzelne Industriezweige, einzelne Schichten der Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der Epoche des Imperialismus mehr oder minder stark bald die eine, bald die andere dieser Tendenzen. Im großen und ganzen wächst der Kapitalismus bedeutend schneller als früher, aber dieses Wachstum wird nicht nur im allgemeinen immer ungleichmäßiger, sondern die Ungleichmäßigkeit äußert sich auch im besonderen in der Fäulnis der kapitalkräftigsten Länder (England).

N. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Petrograd 1917. Hier zitiert nach: ­Wladimir Iljitsch Lenin: Werke, Band 22. Dietz-Verlag, Berlin 1974, Seiten 304–306

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