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Aus: Ausgabe vom 19.04.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Zinssenkung im Handelskrieg

Vor Plauderwoche des IWF

Von Lucas Zeise
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Ich kann mich nicht erinnern, dass je eine Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbanker (EZB) mit derart wohlwollender Lethargie entgegengenommen wurde. Am Donnerstag senkte die Europäische Zentralbank alle drei Leitzinsen um einen viertel Punkt, den Einlagensatz auf 2,25, den Hauptrefinanzierungssatz auf 2,4 und den Spitzenrefinanzierungssatz auf 2,65 Prozent. Am Finanzmarkt war das erwartet worden. Die Bewegungen des Euro und der Renditen der Staatspapiere blieben minimal.

In der BRD, wo sonst jede offizielle Zinssenkung der geldproduzierenden Zentralbank als Förderung der Inflation und Missachtung der gesellschaftlich wertvollen Spartätigkeit des kleinen Mannes gegeißelt wird, war nur Verständnis für diese Maßnahme zu vernehmen. Auch bei den Zentralbankern selbst waren die Falken stumm. Selbst Robert Holzmann, der exzentrisch restriktive Präsident der Österreichischen Nationalbank und als solcher Mitglied im Zentralbankrat der EZB, hatte offensichtlich aufgegeben.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde musste in der Pressekonferenz nicht viel Worte machen, um die Zinssenkung zu begründen. Entscheidendes Datum war offensichtlich der 2. April, der »Befreiungstag« Donald Trumps, als der Präsident der USA der übrigen Welt absurd wirkende Importzölle verordnet hatte. Obwohl er eine Woche später einen Teil davon zurückzog, fast allen Nationen eine Gnaden- und Verhandlungsfrist von 90 Tagen einräumte und dafür dem Hauptfeind China einen Zollsatz von 145 Prozent aufbrummte, sei die »außergewöhnliche Unsicherheit« über die Finanzbedingungen und die Zukunft der Weltwirtschaft und der Euro-Zone groß, sagte Lagarde. Schon im März hatte die EZB die jährliche Wachstumsprognose für die Euro-Zone auf 0,9 Prozent gesenkt. Einleuchtend wirkte ihre Vermutung, die aus den USA künftig in die EU schwappenden Warenströme aus China könnten das Preisniveau hier dämpfen.

In der kommenden Woche findet in Washington das große Frühjahrstreffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure aller am Internationalen Währungsfonds (IWF) beteiligten Staaten statt. Diese Treffen dienen traditionell der Absprache zwischen den Mächtigen und weniger Mächtigen über die Entwicklung des weltweiten Finanzsystems. Die USA sind mit 17,4 Prozent immer noch der bei weitem größte Anteilseigner des seit 1944 bestehenden Fonds, der dementsprechend zuverlässig die von den US-Regierungen gewünschte Politik vertritt.

Erst vor einigen Tagen hat der IWF dem argentinischen Regime des von den Trump-Leuten gelobten Kettensägenpräsidenten Javier Milei einen Kredit von 21 Milliarden US-Dollar gewährt. Die geschäftsführende Direktorin des Fonds, Kristalina Georgiewa, bewertete das auf X als einen »Vertrauensbeweis für die Entschlossenheit der (argentinischen) Regierung, Reformen voranzutreiben«. Vor den Plaudereien der nächsten Woche hat sich Georgiewa allerdings zart kritisch über den »Reboot des internationalen Handelssystems« durch Trump geäußert. Wie ihre Vorgängerin im Amt der IWF-Chefin Lagarde meint auch Georgiewa, das werde zu einer spürbaren Schwächung des globalen Wachstums führen.

Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.

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