Kriegstüchtiger des Tages: Stadtrat Zwickau
Von Arnold Schölzel
Na also, geht doch. Am Donnerstag hob der Stadtrat von Zwickau mit 26 Ja- gegen zwei Neinstimmen bei 13 Enthaltungen einen Beschluss vom 30. Januar auf: Damals hatte das Gremium auf Antrag des BSW, das Zwickau als »Stadt des Friedens« haben wollte, ein Werbeverbot für »Kriegsdienst und Rüstungsprodukte« auf allen städtischen Liegenschaften, Veranstaltungen und kommunalen Fahrzeugen verabschiedet. Anlass war eine städtische Straßenbahn, die seit Oktober 2024 für die Bundeswehr in Flecktarnbemalung Reklame fuhr.
Der Beschluss sorgte im deutschen Kriegs-, also Friedenslager für Aufregung. Oberbürgermeisterin Constance Arndt (Bürger für Zwickau) nannte in einem Widerspruch vom 11. Februar den Beschluss nachteilig und rechtswidrig. Am 27. Februar aber widersetzte sich der Stadtrat und blieb beim Ursprungsantrag. Nun wurde die Rechtsaufsichtsbehörde bemüht, die am 6. März befand: »rechtswidrig«. Die Bundeswehr stehe im Grundgesetz, sei also eine Art Verfassungsorgan und dürfe als »Arbeitgeber« nicht benachteiligt werden. Am 20. März ordnete das Landratsamt an: Beschluss aufheben. Das BSW bekannte, einen »Fehler«, nämlich Kompetenzüberschreitung begangen zu haben, und stimmte nun für die Aufhebung.
Merke: Für den Frieden dürfen alle sein, aber nicht gegen deutsche Kriege und Krieger. Die sichern mit Granaten und Panzern stets Frieden. Wer daher die Verdienste des Verfassungsorgans Bundeswehr beim völkerrechtswidrigen Zerbomben Jugoslawiens 1999, beim 20jährigen Massakrieren in Afghanistan oder beim zehnjährigen Wüstenkampf in Mali nicht würdigt, ist ein Friedensgegner, also Kreml- oder Hamas-Agent. In diesem Sinn bleibt laut Beschluss Zwickau eine Stadt des Friedens und der Völkerverständigung. Krieg gegen andere Nationen dient allein der Verständigung mit ihnen. War 1914 und 1939 schon so.
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Leserbrief von Raimon Brete aus Chemnitz (21. April 2025 um 10:20 Uhr)Die Zwickauer Metamorphose: Als Wähler fühlt man sich als ohnmächtiger Gast in einer Achterbahn zwischen politischem Hoch und Tief, zwischen stetiger Hoffnung und Enttäuschung. Die Zwickauer Schausteller des BSW im Stadtrat durchlaufen nunmehr eine politische Metamorphose. Sie mutieren von unnachgiebigen Kämpfern für eine friedfertige Gesellschaft zu Liebedienern eines zutiefst kriegsertüchtigenden Beamtentums. Sie unterwerfen sich mit der Zustimmung zur Rücknahme eines friedenstiftenden Ratsbeschlusses den bürgerlich-staatserhaltenden und demokratiefeindlichen Mechanismen. Sie reden der Kommunal-Aufsicht! nach dem Munde und führen die sogenannte Selbstverwaltung der Kommune ad absurdum. Reumütig erkennen sie die durch den bürgerlichen Staat selbst geschaffenen Regeln zum Erhalt des nach Kriegstüchtigkeit strebenden Staates an. Damit wird die eklatante programmatische Schwachstelle des BSW überdeutlich. Die Ursachen von Rüstung und Kriegen, der imperialistische Staat und seine Strukturen, werden entweder nicht gesehen oder bewusst ignoriert. Warum nur? Ohne konsequenten Widerstand, ohne die Überwindung bürgerlicher Machtstrukturen und Standhaftigkeit bei der praktischen Umsetzung von friedens- und sozialpolitischen Wahlprogrammen wird es keine gesellschaftspolitischen Veränderungen zum Guten geben. Ein Kotau vor den Herrschenden wird uns den gesellschaftlichen Frieden nicht geben.
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Leserbrief von kwf (21. April 2025 um 01:23 Uhr)»Das BSW bekannte, einen ›Fehler‹, nämlich Kompetenzüberschreitung begangen zu haben.« Was für eine Logik! Der Fehler war nicht die Kompetenzüberschreitung, sondern die Aufhebung des Beschlusses und das Umkippen des BSW Zwickau. Wer für den Frieden ist, muss auch bereit sein, vom Gesetz gezogene Grenzen zu überschreiten, welche den Kampf um den Frieden ad absurdum führen. Wer dies zu tun sich nicht getraut, sollte nicht in die Politik gehen.
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