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Aus: Ausgabe vom 15.04.2025, Seite 1 / Ausland
Wirtschaftsverhandlungen

Trump will Pipeline von Kiew

USA und Ukraine verhandeln »antagonistisch« über Wirtschaftsabkommen
Von Arnold Schölzel
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Bald US-betriebene Pipline? In Washington stellt man der Ukraine Bedingungen

Vor einem Deal legt Donald Trump in jeder Verhandlungsrunde eine Forderung drauf. Am Sonntag berichtete der britische Guardian, dass die Vertreter des US-Präsidenten bei Gesprächen über ein Rohstoffabkommen mit der Ukraine am Wochenende in Washington zusätzlich zu Anteilen aus ukrainischen Rohstoffverkäufen auch die Kontrolle über eine Gaspipeline verlangen. Die wichtige Röhre führt über 1.200 Kilometer von der Stadt Sudscha im Westen Russlands in die ukrainische Stadt Uschgorod an der Grenze zur Slowakei und damit zur EU. Bis Ende vergangenen Jahres wurde über sie russisches Gas nach Mitteleuropa geleitet.

Laut Reuters fanden die Verhandlungen auf Expertenebene in Washington in einer »antagonistischen Atmosphäre« statt. Das hatte demnach mit dem jüngsten US-Entwurf für das Wirtschaftsabkommen von Ende März zu tun. Es sehe vor, dass die USA privilegierten Zugang zu den ukrainischen Mineralvorkommen erhalten und Kiew sich verpflichtet, alle Einnahmen aus der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen durch ukrainische staatliche und private Unternehmen in einen gemeinsamen Investitionsfonds einzubringen. Danach müsste die Ukraine die Hälfte ihrer Einnahmen aus Rohstoffprojekten – etwa der Ausbeutung von Öl, Gas und kritischen Mineralien sowie des damit verbundenen Infrastrukturmanagements von Häfen, Pipelines etc. – in einen US-kontrollierten Investmentfonds einzahlen. Gewinne aus dem Fonds würden in ukrainische Rohstoffprojekte reinvestiert, wobei der genaue Anteil unklar blieb. Die Entwicklungsfinanzierungsgesellschaft DFC der US-Regierung soll nun auch die Kontrolle über die Erdgasröhre übernehmen. Kiew erhält im Gegenzug jedoch keine US-Sicherheitsgarantien. Die hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij im Gegenzug für eine solche Vereinbarung wiederholt verlangt. Trump hatte dagegen laut New York Times erklärt, das Abkommen sei eine Möglichkeit, die militärischen und anderen US-Hilfen für die Ukraine einschließlich Zinsen in den vergangenen drei Jahren »wieder reinzuholen« (to recoup).

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (22. April 2025 um 10:09 Uhr)
    Eine US-amerikanische Kontrolle über die transukrainische Gaspipeline ergibt nur Sinn, wenn wieder Gas aus Russland in die EU fließen soll. Schon bei den defekten Nordstream-Pipelines gab es Überlegungen, dass diese von amerikanischer Seite übernommen werden könnten. Solange die US-Amerikaner mit einem Abschaltknopf gegenüber den Europäern ein gewisses Erpressungspotential in der Hand halten, scheinen russische Gaslieferungen an die EU gar kein Problem zu sein. Schon beim europäischen Satellitennavigationssystem »Galileo« bestanden die Amerikaner auf einem Abschaltknopf, offenbar um einem allzu selbständigen oder gar gegen die Amis aufmüpfigen Europa schnell klarmachen zu können, wo der Hammer hängt. Wer die US-Sanktionen gegen Nordstream 2 nicht vergessen hat, hatte schon früh eine Ahnung, dass es bei der Ukraine-Krise nicht um die Ukraine, sondern um das Herausbrechen Europas aus einer Abhängigkeit von Russland ging. »The Crisis in Ukraine Is Not About Ukraine. It's About Germany«, so titelte etwa Mike Whitney schon vor dem russischen Eingreifen in den Donbass-Krieg. Während Merkel sich den US-Wünschen nach Beendigung des Nordstream-2-Projekts deutlich und lange widersetzte, gab es dann doch die Zusage, Nordstream 2 abzuschalten, wenn Russland nur – endlich? – die Ukraine überfallen würde. Scholz hat sich da von Biden regelrecht vorführen lassen. Mit Trumps Pipelineplänen bestätigt sich einmal öfter, dass es den USA im Ukraine-Krieg gar nicht so sehr um die Ukraine geht. Der nun von Trump vorgeschlagene Pipeline-Deal ist dabei gar nicht so dumm. Er würde der Ukraine Durchleitungsgebühren einbringen, die man den Ukrainern als russische Reparation verkaufen könnte. Die europäischen Zahlungen für russisches Gas könnte man den Russen als europäische Reparationen an Russland verkaufen – als Reparationen für die Torpedierung der Minsker Abkommen durch Kiew, Berlin und Paris. Und über allem bleiben die USA dank Erpressungspotential der King.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (15. April 2025 um 10:11 Uhr)
    Eine Voraussetzung für Demokratie ist Transparenz! Und transparenter als bei Trumps Geschäften geht’s nun wirklich nicht. Kein Schnickschnack, kein Herumlavieren – seine Worte und Taten sind erstaunlich deckungsgleich. Die USA haben Milliarden in die Ukraine gepumpt – und wer ernsthaft geglaubt hat, das sei aus reiner Menschenliebe passiert, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Dass Washington nun »Rendite« sehen will, ist weniger überraschend als eine Schneeflocke im Winter. Nur die hochgejubelte Kiewer Regierung scheint immer noch zu glauben, sie sei der Hauptakteur auf der Bühne. Dabei war die Ukraine von Anfang an nicht mehr als ein Spielfeld – ein Mittel zum Zweck. Und dieser Zweck heißt, wie so oft: geostrategischer Profit und Zugriff auf Ressourcen. So funktioniert eben der demokratische Kapitalismus in Reinform: Prinzipien, Werte und Partnerschaft auf dem Papier – auf dem Kontoauszug zählt dann doch nur, wer wie viel Kontrolle über Pipelines, Häfen und Bodenschätze bekommt.

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