Souverän abhängig
Von David Maiwald
Von der Kohle zur KI. Im rheinischen Braunkohlerevier, zwischen den Tagebauen Inden, Hambach und Garzweiler, steht das Forschungszentrum Jülich, das flächenmäßig etwa so groß ist wie der namensgebende Stadtkern des gut 34.000 Einwohner zählenden Städtchens. Und dort steht »Jupiter«. Ein Supercomputer zur Entwicklung künstlicher Intelligenz, der sich für eine nun angelaufene Ausschreibung der EU bewerben könnte. Jedenfalls deutet das Abschlusspapier der »Digitalunterhändler« von Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen darauf hin, berichtete das Handelsblatt am Mittwoch. Bis Mitte Juni sollen sich neben »Jupiter« demnach zwölf weitere in der EU verteilte »KI-Fabriken« für die Förderung bewerben.
Die EU-Kommission will bis zu fünf KI-»Gigafactories« im Staatenbund fördern und dafür 20 Milliarden Euro an Investitionen mobilisieren. Das Programm ist Teil des am Mittwoch vorgestellten KI-Aktionsplans (AI Continent Action Plan) aus dem die EU im Rennen um KI-Entwicklung als »globaler Anführer« hervorgehen soll. Demnach will die EU-Kommission noch ein weiteres Fördergesetz zur Förderung von Privatinvestitionen in Cloud-Kapazitäten und Rechenzentren vorschlagen. Dieser »Cloud and AI Developement Act« solle die Rechenzentrumskapazität der EU »in den nächsten fünf bis sieben Jahren mindestens verdreifachen, wobei besonders nachhaltige Rechenzentren Vorrang haben sollen«, teilte die Behörde am Mittwoch mit.
Neben dem Aufbau von KI-Rechnerkapazität sieht der Aktionsplan laut EU-Kommission verbesserten Datenzugang, verstärkte Ausbildung von technischem Personal, etwa zur Entwicklung von Algorithmen, sowie »Hilfestellungen« bei der Umsetzung der KI-Regeln (AI Act) vor. Hier wird mit dem nun einzurichtenden »AI Service Act« offenbar dereguliert, wo die Behörde jüngst Regularien geschaffen hat. Zur Erinnerung: Der im vergangenen Jahr beschlossene AI Act der EU soll im August überhaupt erst in Kraft treten. KI sei schließlich das »Herzstück, um Europa wettbewerbsfähiger, sicherer und technologisch souveräner zu machen«, frohlockte Henna Virkkunen, Kommissionsvizepräsidentin für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie am Mittwoch.
Ob die globalen Anführer das zulassen? Aktuell dürfte es EU und BRD eher darum gehen, gegenüber den USA und China bei der Produktivkraftentwicklung nicht völlig ins Hintertreffen zu geraten. Technologieführerschaft oder -unabhängigkeit dürfte sich mit dem durch mehr als 24.000 Prozessoren des US-Konzerns Nvidia betriebenen »Jupiter« wohl kaum erreichen lassen. Auch wenn der seit drei Jahren im Bau befindliche Supercomputer einmal »der schnellste KI-Computer der Welt« sein soll, wie der Leiter des Jülicher Hochleistungsrechenzentrums, Thomas Lippert, Mitte März im WDR erklärt hatte. Mit einer Rechenleistung von mehr als einem Exaflop, also mehr als einer Trillion Rechneroperationen pro Sekunde, könnte »Jupiter« allerdings zu Rechnern wie dem US-Supercomputer »Frontier« aufschließen, die über eine ähnliche Rechenkapazität verfügen. Dem Zeitplan des Instituts zufolge soll der Rechner noch im laufenden Jahr in den Nutzbetrieb übergehen.
Die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigten Investitionen von 200 Milliarden Euro EU-weit entsprechen nicht einmal der Hälfte der Aufwendungen, welche die USA für den Ausbau von KI-Infrastruktur angekündigt haben. Während sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bei einer möglichen Förderung des Jülicher Supercomputers schon beim »nächsten Schritt zur Gestaltung der technologischen und industriellen Revolution durch KI« wähnte, zeigte sich der KI-Bundesverband laut Handelsblatt eher ernüchtert. Bislang bestünden keine funktionierenden Förder- und Vergabeverfahren, »die mit der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung Schritt halten können«, zitierte dpa den Vorstandsvorsitzenden Jörg Bienert.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (9. April 2025 um 22:46 Uhr)Ich dachte seither, dass so dummes Geschwafel nur von einer KI erzeugt werden kann. Ein Cyborg kann Henna Virkkunen aus verschiedenen Gründen nicht sein. Ein Cyborg ist ein Mensch, der durch technische Umbauten zur Menschmaschine wird. Die bessere Bezeichnung »Android« ist aber von Google schon getrademarkt. Wahrscheinlich ist es (das Henna Virkkunen) ein früher Prototyp des »Human Brain Project«. Übrigens: Wer über diesen Witz lachen kann, ist keine künstliche Intelligenz. Man erkläre mir bitte, was »nachhaltige Rechenzentren« sein sollen. Die Reste meiner NI legen nahe, dass es sich nur um nachhaltigen Resourcenverbrauch handeln. In der schärferen Formulierung: Nachhaltig sinnloser Resourcenverbrauch.
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