Kriegseskalation in Lichtgeschwindigkeit
Von Susann Witt-Stahl
Seit Wochen prangte in Bahnhöfen Berlins der Werbeslogan »Freedom Will Win« in leuchtendem Blau-Gelb. Am Dienstag war es endlich so weit, und das »Cafe Kyiv« der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) öffnete zum dritten Mal seine Pforten. Es sollen rund 5.000 Teilnehmer registriert worden sein, und so bildete sich morgens vor dem »Colosseum« in Prenzlauer Berg die erwartete Menschenschlange.
Der Veranstalter lockten mit fetten Techno-Beats, »frechen« Modegags wie »Anti-Russia Social Club«-T-Shirts und einem Jahrmarkt der Möglichkeiten, unter anderem teuren neofokloristischen Tand zu erwerben, kaufkräftige junge Liberale – ein Publikum, das erfahrungsgemäß besonders aufgeschlossen ist gegenüber dem schwerverdaulichen Angebot, das eigentlich an den Mann gebracht werden sollte: Siegespläne gegen Russland, Westliche-Werte-Chauvinismus, vor allem Kriegsbegeisterung und -reklame. Das ist Balsam auf vom Trump-Trauma geschundene Seelen wie Norbert Lammert. Der KAS-Vorsitzende beklagte in seiner Eröffnungsrede die sich abzeichnende Kursänderung der US-NATO-Politik als »bitterste Erfahrung«, bevor der auf Dauerkrawall gebürstete Grünen-Politiker Anton Hofreiter den US-Präsidenten neben Wladimir Putin und Xi Jinping in die Riege der »Feinde Europas« einsortierte.
Waffenfreaks konnten im Foyer ihre erogenen Zonen durch einen Drohnenflugsimulator stimulierten lassen, die »Stiftung für die Freiheit« verhalf Couchkriegern mit der virtuellen Ausstellung »Fangen Sie die schrecklichen und inspirierenden Geschichten von Ukrainern ein, die im Krieg leben« zu einem prickelnden Thrill. In den Konferenzsälen wurden währenddessen fieberhaft die Schreckgespenster Waffenstillstand und Verhandlungsfrieden bekämpft. Roderich Kiesewetter (CDU) sendete beim Podium zur »Kriegswirtschaft«, deren Einführung er schon lange fordert, einen »Weckruf« aus: »Wir müssen die Ukraine mehr unterstützen. Dazu brauchen wir ein anderes Mindset.« Der Botschafter der Ukraine brachte die Kernmission der Veranstalter und ihrer mehr als 130 Partner – vom Auswärtigen Amt bis zum Zentrum Liberale Moderne – auf den Punkt: Das »As long as it takes« müsse endlich einem »Whatever it takes« weichen, verlangte Olexij Makejew. »Wenn wir den Sieg des Lichts wollen, dann muss das Handeln in Lichtgeschwindigkeit sein.«
Was das bedeutet, wurde in Vorträgen, Gesprächsrunden, Filmvorführungen etc. von Vertretern der internationalen »Kanonen statt Butter«-Influencerarmada ausbuchstabiert: Bild-Reporter Julian Röpcke, »Investigativjournalist« Alexej Hock vom Rechercheportal Correctiv und »Desinformationsexperte« Pekka Kallioniemi, der auf dem Gipfel der »NAFO«-Social-Media-Krieger 2023 ukrainische Nazis als Produkt von Kreml-Propaganda deklariert hat, machten vor, wie die nötige Dämonisierung von Russland, China und Iran funktioniert. Zum Beispiel, indem man sie frei nach Ronald Reagan und kompatibel mit »wokem« Grünen-Sprech »Achse der Autoritären« tauft. Am besten geht das aber, wenn allen, die man als »Feind« markiert hat, entzogen wird, was man angeblich verteidigt: die Freiheit sich zu äußern. Diverse Redner, etwa Arndt Freytag von Loringhoven, ehemaliger Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes, forderten ein aggressiveres Vorgehen gegen prorussische und prochinesische Narrative und »Propagandainstrumente« wie X und TikTok.
Im »Cafe Kyiv« wurde nicht nur Krieg auf ideologischer Ebene geführt – es gab ihn auch zum Anfassen: Anwesende ukrainische Soldaten, die im Flecktarnfelduniform auftraten, sorgten für Frontatmosphäre und Angehörige der »Asow«-Brigade der ukrainischen Nationalgarde sogar für die in Deutschland seit 80 Jahren seltene Gelegenheit, echten Nazi-»Helden« auf die Schulter zu klopfen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulrich B. aus Alfter (15. März 2025 um 11:49 Uhr)Erst wenn die ersten atomaren Raketen fliegen, erst wenn die ersten atomaren Sprengköpfe einschlagen, erst wenn die ersten Atompilze sichtbar werden und erst wenn der Druck und die Temperatur der Druckwelle die Menschen bei lebendigem Leib enthäutet, dann, ja dann werden auch die dümmsten Menschen merken, dass die Feinde der Menschheit sie mit ihrer Propaganda, ihrem Handeln und Tun, geradewegs in die Hölle katapultiert haben. Wobei die Hölle gegenüber einem atomaren Holocaust eher einen Luftkurort darstellt. Mit friedlichen Grüßen, Ulrich Becker
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (15. März 2025 um 10:58 Uhr)Der Ukraine-Krieg und die zu diesem Krieg geführte »Westpropaganda« folgen nach wie vor der alten angelsächsischen Strategie: Auf dem eurasischen Kontinent darf keine Weltmacht entstehen – und dies muss mit allen Mitteln verhindert werden. Der sogenannte »Wertewesten« kämpft daher nicht für die Ukraine, sondern gegen Russland – auf dem Rücken der Ukrainer. Nicht ohne Grund erklärten US-Senatoren öffentlich, dass der Ukraine-Krieg für sie eine »günstige Investition« sei, da Russland geschwächt werde, ohne dass amerikanisches Blut vergossen werde. Dieses geopolitische Kalkül hat historische Vorbilder: 1918 wurde die Ukraine durch den »Frieden von Brest-Litowsk« von Sowjetrussland abgespalten und führte anschließend Krieg gegen Russland. 1941 empfingen Teile der Westukraine die Wehrmacht mit Blumen, während ukrainische SS-Divisionen der Sowjetarmee in den Rücken fielen. Die sind nur geschichtliche Segmente, wo der Westen auf dieselbe Masche strickt und keine will es merken. Traurig. Wenn man von der Geschichte nicht lernt, ist man selber schuld!»
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulrich B. aus Alfter (14. März 2025 um 14:27 Uhr)Erst wenn die ersten atomaren Raketen fliegen, erst wenn die ersten atomaren Sprengköpfe einschlagen, erst wenn die ersten Atompilze sichtbar werden und erst wenn der Druck und die Temperatur der Druckwelle die Menschen bei lebendigem Leib enthäutet, dann, ja dann werden auch die dümmsten Menschen merken, dass die Feinde der Menschheit sie mit ihrer Propaganda, ihrem Handeln und Tun geradewegs in die Hölle katapultiert hat. Wobei die Hölle gegenüber einem atomaren Holocaust eher einen Luftkurort darstellt. Mit friedlichen Grüßen Ulrich Becker
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (14. März 2025 um 12:52 Uhr)Platzpatronen verschießen! Der Gestank bleibt stundenlang! Auch Tränengas macht Spaaaß! War der Herr Anton Hofdreister auch mal Zivildienstleister? Und denkt jetzt wie der Robert H.? Und kämpft bald gegen Russia?
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