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Aus: Ausgabe vom 05.02.2025, Seite 4 / Inland
Rüstungsexporte an die Türkei

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen

Regierung gibt sich kenntnislos über Ankaras Kriege, um weiter Waffen zu liefern
Von Nick Brauns
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Bei türkischen Drohnenangriffen in Syrien getötete Journalisten werden zu Grabe getragen (Kamischli, 6.1.2025)

Die Bundesregierung stellt ihrem Auslandsgeheimdienst ein schlechtes Zeugnis aus. Zumindest wenn es um Syrien geht, scheinen die Spione des Bundesnachrichtendienstes sich mit dem Studium des täglichen Pressespiegels in der Berliner Chausseestraße zufriedenzugeben. Dieser Eindruck entsteht, wenn man die der Tageszeitung jW exklusiv vorliegenden Antworten aus dem Bundeswirtschaftsministerium auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Sevim Dagdelen liest. Die außenpolitische Sprecherin der BSW-Gruppe hatte nach deutschen Rüstungsexporten an die Türkei »vor dem Hintergrund der Außenpolitik des NATO-Partners« gefragt.

Wissen wollte die Abgeordnete etwa, ob die aktuelle Situation in Syrien eine Militärintervention der Türkei und ihrer Söldnertruppe »Syrische Nationalarmee« (SNA) gegen kurdische Gruppen im Norden des Landes legitimiere. Dutzende Zivilisten starben dort in den vergangenen Wochen bei türkischen Luftangriffen. Ein militärisches Vorgehen müsse im Einklang mit dem Völkerrecht stehen und der Schutz der Zivilbevölkerung gewährleistet sein, lautet das Mantra der Bundesregierung. Doch ob das aktuell der Fall ist, weiß sie nicht, da ihr angeblich keine ausreichenden Informationen vorliegen.

Zwar hält die Türkei bereits seit fast neun Jahren syrisches Territorium besetzt. Doch nach eigenen Angaben verfügt die Bundesregierung »angesichts des jahrelangen Bürgerkriegs und der damit einhergehenden Beschränkungen nicht über ein vollständiges Lagebild, das ihr eine ausreichende Grundlage für eine abschließende völkerrechtliche Einordnung bietet«. Ihr Wissen darüber, inwieweit die mittlerweile in Damaskus regierende Dschihadistenallianz HTS von der Türkei unterstützt wurde, will die Regierung nicht offenlegen, da dies das deutsche »Staatswohl« gefährden könnte. Derweil reiste der frühere Al-Qaida-Führer Ahmed Al-Scharaa als syrischer Übergangspräsident am Dienstag nach Ankara, um sich für ebendiese Unterstützung zu bedanken und weitere Hilfen auch im militärischen Bereich zu erbitten.

Ihre wohl nur vorgetäuschte Kenntnislosigkeit über türkische Kriegsverbrechen in Syrien hindert die Bundesregierung derweil nicht daran, den NATO-Partner weiter hochzurüsten. Mit einem Volumen von 230,8 Millionen Euro lagen die Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter an die Türkei im vergangenen Jahr erstmals seit 2011 wieder im dreistelligen Millionenbereich.

Die Aufschlüsselung zeigt, dass es sich neben Bomben, Raketen, Torpedos und Flugkörpern insbesondere um Technik für Kriegsschiffe und U-Boote handelt. Diese könnten nicht in Syrien eingesetzt werden, versuchte die grüne Staatsministerin im Auswärtigen Amt Katja Keul im Dezember auf eine mündliche Frage Dagdelens zu beruhigen, obwohl Syrien über eine lange Mittelmeerküste verfügt. Vor allem aber droht damit ein neuer maritimer Rüstungswettlauf mit dem NATO-Land Griechenland, auf dessen grenznahe Inseln Ankara Ansprüche erhebt. Während Dagdelen diesbezüglich von »militärischen Drohungen gegenüber Griechenland und Zypern« schreibt, erklärt die Bundesregierung, sich die in der Fragestellung vorgenommenen völkerrechtlichen Bewertungen nicht zu eigen zu machen.

»Die Ankündigung von Grünen und SPD bezüglich einer angeblich zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik war nichts als Wahlbetrug«, kommentierte Dagdelen die Antworten der Regierung am Montag gegenüber jW. »Scholz, Habeck und Baerbock machen mit ihren Waffenlieferungen an Erdoğan Deutschland zum Helfershelfer bei den völkerrechtswidrigen Angriffen des NATO-Mitglieds Türkei auf seine Nachbarländer.«

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