Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2024
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Aus: Ausgabe vom 30.11.2024, Seite 5 / Inland
Behindertenpolitik

Malocher mit Handicap

»Aktion Mensch«: Zahl erwerbsloser »behinderter« Personen steigt – weiter mangelnde Inklusion auf Arbeitsmarkt
Von Gudrun Giese
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Menschen mit Einschränkungen finden oft keinen Platz in der Arbeitswelt (Dorndorf, 4.12.2012)

Immer mehr Menschen mit Einschränkungen finden keine Arbeit. Laut dem von der »Aktion Mensch« und dem »Handelsblatt Research Institute« (HRI) in Auftrag gegebenen »Inklusionsbarometer Arbeit« waren im Oktober in der Bundesrepublik 177.280 »behinderte« Menschen erwerbslos – sieben Prozent mehr als im Vorjahr.

Damit habe die Erholungsphase nach der Coronakrise nur kurz angehalten, hieß es in einer Mitteilung von »Aktion Mensch« am Freitag. Im zurückliegenden Jahr seien sowohl die absoluten Erwerbslosenzahlen als auch die -quote bei den Menschen mit Behinderung gestiegen. Trotz des allseits beklagten Fachkräftemangels kämen immer mehr Unternehmen mit mehr als zwanzig Beschäftigten ihrer gesetzlichen Pflicht nicht nach, mindestens fünf Prozent behinderte Männer und Frauen zu beschäftigen. Auch 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe fixiert, mache die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt weiterhin keine Fortschritte, kritisiert die Organisation. In der Bundesrepublik leben 3,1 Millionen 15- bis 65jährige mit schwerer Behinderung, von denen aber nur 1,1 Millionen in einer Firma mit mehr als zwanzig Beschäftigten arbeiten. Rund 200.000 sind in kleineren Betrieben tätig.

Aus Sicht von »Aktion Mensch« wirke sich der Konjunkturabschwung in der Bundesrepublik signifikant auf den Arbeitsmarkt aus, wovon Menschen mit Behinderung stark betroffen seien. Die Erwerbslosenquote in dieser Gruppe stieg 2023 auf elf Prozent. Im Jahresdurchschnitt waren 165.725 behinderte Menschen erwerbslos. Das sei gegenüber 2022 zwar nur ein Anstieg um ein Prozent, doch setze sich der Negativtrend in diesem Jahr fort, so dass die Zahl im Oktober auf 177.280 stieg, sieben Prozent über dem Vorjahreswert. »Zwar spüren alle Arbeitnehmer*innen in Deutschland die Folgen der Wirtschaftskrise – für Menschen mit Behinderung gehen sie aber mit einem deutlichen Rückschritt in Sachen Chancengerechtigkeit einher«, sagte Christina Marx, Sprecherin der »Aktion Mensch«. Außerdem greife der Verweis auf die schlechte Konjunktur nicht, denn »schließlich klagt die Wirtschaft zunehmend über den Fachkräfte- wie auch den Arbeitskräftemangel allgemein«. Doch Unternehmen, vor allem aus der Privatwirtschaft, besetzten die Arbeitsplätze nicht mit den »vielen gut qualifizierten Arbeitnehmer*innen mit Behinderung«, so Marx.

Bundesweit gibt es rund 179.000 Unternehmen mit zwanzig und mehr Beschäftigten, die verpflichtet sind, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an behinderte Menschen zu vergeben. Theoretisch gebe es damit mehr Arbeitsplätze für diese Gruppe, doch sei die gesamtwirtschaftliche Beschäftigtenquote für sie auf 4,4 Prozent gesunken. Nicht einmal 39 Prozent der verpflichteten Unternehmen würden die Fünfprozentquote vollständig erfüllen. Das sei der niedrigste Wert seit Erscheinen des ersten »Inklusionsbarometers«, heißt es in der Mitteilung. Obendrein erhalten immer mehr behinderte Beschäftigte die Kündigung. 2022 registrierte das Integrationsamt, bei dem Entlassungen beantragt werden müssen, rund 17.000, ein Jahr später bereits rund 21.000 Kündigungen. Mehr als 25 Prozent der Unternehmen beschäftigen keinen einzigen Menschen mit Behinderung. Die Privatwirtschaft liege, so »Aktion Mensch«, mit einer Einstellungsquote von vier Prozent weit unter den Vorgaben und kaufe sich lieber von der Verpflichtung frei.

Die sogenannte Ausgleichsabgabe wird fällig, wenn Unternehmen mit Beschäftigungspflicht keine oder zu wenige Menschen mit Behinderung einstellen. Die Abgabe wurde mit dem »Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts« zum 1. Januar 2024 deutlich erhöht. »Wir erhoffen uns von der schärferen Sanktionierung, dass sie sich positiv auf die Beschäftigungszahl von Menschen mit Behinderung auswirkt«, so Christina Marx. Schließlich stelle das Unterlaufen der Beschäftigungspflicht kein Kavaliersdelikt dar. Es gehe dabei vielmehr um das Recht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt. »Chancengleichheit muss losgelöst von konjunkturellen Entwicklungen Bestand haben.«

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