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Aus: Ausgabe vom 29.11.2024, Seite 15 / Feminismus
Frauengesundheit

Feministisch gesund

Aufklärung und Wissen über eigenen Körper: Zum 50jährigen Jubiläum des Feministischen Frauengesundheitszentrums in Berlin
Von Gitta Düperthal
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Ohne Worte

Das Feministische Frauengesundheitszentrum (FFGZ) in Berlin feiert Geburtstag. Gegründet wurde es 1974 – getragen von der von Feministinnen angestoßenen ganzheitlichen Gesundheitsdebatte – und schwamm auf der Welle einer sich politisierenden rebellischen Frauenbewegung. Ältere Feministinnen erinnern sich an den Aufbruch einstmals junger Frauen zur Zeit der lila Latzhosen: Selbsterfahrungsgruppen mit Spekulum, Spiegel und Taschenlampe zum gemeinsamen Erforschen der Vagina; energisches Einfordern von Verhütungsmitteln für Männer, weil Frauen es satt hatten, ständig Hormone zu sich nehmen und sich in der Folge mit Kopfschmerzen und Gewichtszunahme herumzuplagen. Was bei manch damaligen männlichen Freunden, auch Genossen, kaum Zuspruch erfuhr.

In der 1979 in Westberlin gegründeten Taz sorgte ein Artikel zu Implantationen in Männerarme in Setzerkommentaren für über etliche Zeilen lang ausgeschriebene Schmerzenslaute. Was die psychische Gesundheit betraf: Frauen, deren Elternhaus aus Nazizeiten autoritär geprägt war, lernten in Selbsterfahrungsgruppen, sich gegenseitig wichtig zu nehmen und zuzuhören. Genauer gesagt: sich als Gegenüber überhaupt wahrzunehmen. Machomänner bekamen ihr Fett weg – wenn es sein musste auch der eigene Freund oder Sexualpartner. Ein Großteil der Frauen hatte anderes mit dem Leben vor, als Kinder zu kriegen, und wollte ungewollten Schwangerschaften nicht ausgeliefert sein. Solche Gruppen, die überall in der Republik aus dem Boden sprossen, gingen gemeinsam auf Demos gegen das Abtreibungsverbot, den Paragraphen 218, der heute noch im Strafgesetzbuch zu finden ist. Naturschwämmchen für die Menstruation waren en vogue, da es hieß, sie seien natürlicher als Tampons, und machten nicht nur Fabrikanten reich. Das stellte sich mitunter allerdings als Herausforderung dar, wenn die Nachbarin im öffentlichen Damenklo am Waschbecken ihr blutiges Schwämmchen auswusch.

Petra Bentz, Beraterin des FFGZ und als 1961-Jahrgängerin die älteste im Team, lacht. Die Schwämmchen nutzten viele noch heute, damit die Schleimhäute nicht durch Tampons austrocknen. Das Auswaschen werde anderswo schon mal kommentiert mit: »Die Berlinerinnen, die trauen sich was.« »Viva la Vulva«, um in Gruppen selbstbestimmt den eigenen Körper kennenzulernen, findet sich weiterhin im Programm. Die jungen Frauen heute wertet sie als »insgesamt selbstbewusster«. Mütter würden etwa kaum mehr als Teil autoritär strukturierten Familienmuffs wahrgenommen, sondern als Freundin. Auch das Männerbild habe sich gewandelt: Auf den Straßen seien nun Männer mit Babys in Tragetüchern oder Kinderwagen zu sehen.

In den 1980er und 1990er Jahren sei im FFGZ ein Professionalisierungsschub erfolgt. Doch das Zentrum bietet weiterhin Angebote zu Selbsthilfe und alternativen Heilverfahren an, aber oft auch zu Fragen zu Behandlungsorten und Finanzierungsmöglichkeiten etwa im Fall eines prämenstruellen Symptoms (kurz PMS oder PMS-D, wenn noch eine Depression hinzukommt). Wichtiges Thema bleiben die Patientinnenrechte. »Viele kommen zu uns, weil sie von Müttern, Kolleginnen oder Freundinnen gehört haben, dass wir feministisch für Frauengesundheit arbeiten«, so Bentz. In den Beratungen geht es um Lust, Verhütung, Wechseljahre, Vaginalinfektionen, Beckenboden- und Blasenprobleme oder Endometriose, aber auch um Folgen von Gewalt.

In den vergangenen Jahrzehnten habe sich einiges verändert. Natürlich gingen auch sie auf Demonstrationen gegen den Paragraphen 218, so Bentz. Allerdings seien die Zeiten von »Naturschwämmchen, Selbstuntersuchung und danach gemeinsam zur Demo« vorbei, so wie etwa auch die Parole »Das Private ist politisch«. Einen Automatismus, dass Gruppen, die sich um Frauengesundheit kümmern, ihren Protest politisch gemeinsam auf die Straße tragen, gebe es nicht. Frauensolidarität sei nicht so selbstverständlich wie einst. »Aber wir wirken empowernd und ermutigend«, meint sie. Aufgrund von Zuwendungskürzungen der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege ist jedoch auch beim FFGZ das Geld knapp. Dennoch: Solange Frauen und queere Menschen für ihre Rechte kämpfen müssen und patriarchale Strukturen bestehen, werde das Zentrum eine unverzichtbare Anlaufstelle sein. Das steht für Petra Bentz außer Frage.

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