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Aus: Ausgabe vom 29.11.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Kapital und Krise

Boxenstopp bei KTM

Österreichs Motorradhersteller ist insolvent. Arbeiterkammer unterstützt Entgeltfortzahlung. Gewerkschaft geißelt Dividendenausschüttung
Von Oliver Rast
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Volle Lager, viele Schulden: Beim traditionsreichen Zweiradproduzenten läuft wenig zusammen (Mattighofen, 14.11.2024)

Das kann einem den Fahrspaß vermiesen, kräftig sogar. Der Motorradhersteller KTM aus Oberösterreich ist nicht nur aus der Spur, die Unternehmensgruppe von CEO Stefan Pierer ist insolvent. Jedenfalls die Muttergesellschaft KTM AG nebst der beiden Töchter KTM Components und KTM Forschung und Entwicklung. Deshalb werde an diesem Freitag »ein gerichtliches Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung über das Vermögen eingereicht«, hatte Pierer über seine Mobility AG am Dienstag verlauten lassen.

Vorboten gab es längst, Mitte November etwa. Pierer sprach von einer »tiefgreifenden Restrukturierung und zusätzlichem Liquiditätsbedarf« in dreistelliger Millionenhöhe bei KTM samt temporärem Produktionsstillstand Anfang nächsten Jahres. Das Unternehmen müsse sich »redimensionieren«, übersetzt: Jobvernichtung. Zuletzt hatte die Firmenleitung angekündigt, 300 Arbeitsplätze zu streichen, 700 waren in diesem Jahr bereits weggefallen. Und von der Insolvenz seien laut eines KTM-Sprechers rund 3.670 Beschäftigte betroffen. Mindestens.

Der KTM-Stammsitz Mattighofen liegt im oberösterreichischen Bezirk Braunau am Inn. Einer Region mit rund 110.000 Einwohnern, von denen knapp die Hälfte in der Industrie beschäftigt sei, erklärte Mathias Beer am Donnerstag im jW-Gespräch. »Das ist mehr als doppelt so viel wie im österreichischen Durchschnitt von 21 Prozent«, so der Pressesprecher der Gewerkschaft Pro-Ge (Produktionsgewerkschaft) weiter. Nur logisch, dass die Sorgenfalten bei den Beschäftigten der KTM-Firmen und den Zulieferern landesweit sehr tief seien.

Auch, weil es um die Entgeltfrage bei Insolvenz geht. Das Gehalt aus dem November plus Weihnachtsgeld müssen Kollegen aus den insolventen Betrieben extra beantragen, beim staatlichen Insolvenzentgeltfonds. Wichtig sei, betonte Beer, dass Beschäftigte nicht überstürzt Arbeitsverhältnisse auflösten. Ansprüche gingen damit möglicherweise verloren. Das bestätigt eine Sprecherin der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ) am Donnerstag gegenüber jW. Beschäftigte könnten ferner eine Vollmacht ausstellen, mit der sich AK-Kollegen an den besagten Fonds wenden würden, um fälliges Gehalt einzufordern. »Wir sind Anfang kommender Woche parallel zu den Betriebsversammlungen bei KTM zwecks Information und Beratung vor Ort«, versicherte die Sprecherin.

Was sagt die oberösterreichische Landesregierung? Nicht viel. »KTM ist ein wichtiger Leitbetrieb«, wurde der für Wirtschaft zuständige Landesrat Markus Achleitner von der konservativen ÖVP am Mittwoch im ORF zitiert. Und: »Wir vertrauen darauf, dass Stefan Pierer und sein Team eine erfolgreiche Sanierung zustande bringen.« Eine Antwort, worin das Vertrauen begründet liegt, blieb auf jW-Nachfrage bis Redaktionsschluss aus.

Der KTM-Boss meinte gefühlsduselig: »Wir sind in den letzten drei Jahrzehnten zu Europas größtem Motorradhersteller gewachsen.« Millionen von Motorradfahrern weltweit seien von den Produkten begeistert. »Jetzt legen wir einen Boxenstopp für die Zukunft ein. Die Marke KTM ist mein Lebenswerk und dafür kämpfe ich.«

Viel Wortgeklingel, mehr nicht. Der SPÖ-OÖ-Landesgeschäftsführer Florian Koppler forderte im ORF von Pierer, klarzustellen, wie er trotz der Insolvenz die Beschäftigten von KTM schützen wolle. Bevor abermals eine millionenschwere Haftung und öffentliches Geld notwendig würden, um die Unternehmensgruppe zu retten, sei besser eine Beteiligung des Landes oder des Bundes zu erwägen. »Es kann nicht sein, dass Herr Pierer von staatlicher Unterstützung profitiert, wenn die Geschäfte schlecht laufen, aber sich in guten Zeiten als Privatunternehmer präsentiert, der die Gewinne alleine einstreicht«, kritisierte Koppler.

Gewerkschafter Beer sieht das ähnlich. Zumal noch im April KTM-Anteilseigner eine Dividende in Höhe von 50 Cent pro Aktie ausgezahlt bekamen. Das führe zu großem Unmut in der Belegschaft, weiß Beer. Spätestens dann hört der Spaß auf.

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