Mehr »rot« als »lila«
Von Karim NatourSPD und BSW regieren in Brandenburg in den kommenden fünf Jahren gemeinsam. Nachdem zuletzt nur noch die Verteilung der Ministerien offen war, haben sich die Parteien nun auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Das knapp 70 Seiten umfassende Papier mit dem Titel »Brandenburg voranbringen – Bewährtes sichern. Neues schaffen«, wurde am Mittwoch nachmittag in der Landeshauptstadt Potsdam vorgestellt. Der Vertrag trägt deutlich die Handschrift der Sozialdemokraten und muss noch von den jeweiligen Parteigremien abgesegnet werden. Die Wahl von SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke zum neuen Regierungschef ist für Dezember geplant. »Es geht darum, für unser Land, für die Menschen in Brandenburg das Beste zu erreichen – das ist unser Auftrag«, erklärte Woidke bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags. Niels-Olaf Lüders, stellvertretender BSW-Landesvorsitzender, lobte das »gemeinsame Verständnis für Problemlagen«.
Die erste »Rot-lila«-Koalition der Bundesrepublik verspricht unter anderem, alle Kindergartenjahre beitragsfrei zu belassen sowie die Reduzierung der Elternbeiträge in Krippe und Hort dauerhaft sicherzustellen. Beim Verkehr sollen gemeinsam mit dem Bund und der Deutschen Bahn Schienenstrecken ausgebaut werden. So soll »an allen Bahnhöfen im Land mindestens einmal pro Stunde ein Zug« abfahren. Daneben wollen die beiden Parteien den Mietwohnungsbau fördern und eine angemessene Regulierung von Mietpreisen erreichen. Im Rahmen der Migrationspolitik soll die Abschiebung von Geflüchteten am Hauptstadtflughafen BER ausgebaut werden. »Wer kein Bleiberecht besitzt, muss Deutschland verlassen«, heißt es im Vertrag. Daneben plant die Koalition, Asylgerichtsverfahren zu vereinfachen.
Beim Thema Friedenspolitik will man sich im Bund und der EU dafür einsetzen, eine »diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts« mit dem »Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden« voranzutreiben. Die geplante Stationierung von US-Mittelstrecken- und Hyperschallraketen auf deutschem Boden sehe man »kritisch«. Eine grundsätzliche »Absage« an die laufende Aufrüstung ist der Vertrag aber keineswegs. Im Gegenteil findet sich ein explizites Bekenntnis zum Militär: Man sei sich einig, dass »für Frieden und Sicherheit die Verteidigungsfähigkeit« der Armee gestärkt werden müsse – deswegen »stehen wir zur Bundeswehr und ihren Brandenburger Standorten«. Zur Rekrutierung von Soldaten in Schulen heißt es, eine »Nachwuchswerbung der Bundeswehr kann in der Unterrichtszeit, aber nicht im Unterricht stattfinden«. Die Rüstungsmesse ILA will man weiter finanzieren und sogar weiterentwickeln. Ferner wollen SPD und BSW für mehr Polizisten sorgen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz bei Ermittlungen verstärken.
Die Verteilung der Ministerin spiegelt in etwa die Wahlergebnisse der beiden Parteien bei den Landtagswahlen im September wider. Die SPD (rund 31 Prozent) soll sechs Ministerien besetzen, darunter das Innenministerium und die für Bildung, für Wirtschaft und für Justiz. Das BSW (rund 13 Prozent) erhält das Finanzministerium, das Infrastrukturministerium und das Gesundheitsministerium.
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht lobte den Koalitionsvertrag und die darin vereinbarten außenpolitischen Ziele. Dies gelte unter anderem für die Forderung nach »mehr Diplomatie, gegen endlose Waffenlieferungen und die Aufstellung der US-Mittelstreckenraketen«, erklärte sie. Auch die IG Metall begrüßte das Übereinkommen als »positives Signal für die Brandenburger Industrie«. Ebenso der Kapitalverband »Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg« (UVB). Hauptgeschäftsführer Alexander Schirp lobte den Vertrag als »Bekenntnis zu Bürokratieabbau« und forderte einen breiten »Abbau von Regelungen, Vorschriften und Bestimmungen«, damit »Investitionen schneller vorankommen«. Kritik kam indessen von der CDU. Der Brandenburger Landes- und Fraktionschef Jan Redmann erklärte zum Koalitionsvertrag, der Politikwechsel, den sich die Brandenburger gewünscht hätten, bleibe vollständig aus.
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Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (29. November 2024 um 22:42 Uhr)Mit der Allianz BSW und der Kriegspartei SPD schießt Erstere ein Eigentor, betreibt Verrat an all jenen, die Hoffnung auf sie gesetzt haben. Es ist an sich eine große Prinzipienlosigkeit einer sich selbst als links bezeichnenden Partei, wenn sie ausgerechnet mit einer durch und durch proimperialistischen Partei taktiert, nur um so an Ministerposten zu gelangen. Langfristig rächt sich das, denn all die Ausgebeuteten, die sozial Abgehängten müssen verbittert und enttäuscht feststellen, dass sie bloßen Schaumschlägern auf den Leim gegangen sind. Wenn bereits jetzt kein eindeutiges Nein (!) zu Krieg, NATO, Bundeswehr und Ukraine-Hilfe aufgeboten wird, was kann man denn von solch einer Partei noch erwarten? Was genau unterscheidet das BSW noch von all den anderen bürgerlichen Parteien? Nichts! Da nutzt es nichts, wenn dieses BSW-Bündnis ein umfangreiches Sozialprogramm erstellt, das ohnehin keine Chance auf Verwirklichung hat. Da kann die Bourgeoisie so manches vertröstend in Aussicht stellen, wissend, dass es eh nicht umgesetzt wird. Geht es indes um Krieg und Frieden, Ab.- oder Aufrüstung, dem eigenen Militär, dann heißt es ja o. nein, ein bisschen dies, ein bisschen das läuft da nicht, denn da geht es ums Ganze eines Systems. Auch kann und wird da nix auf die lange Bank geschoben, gar zu wesentlich ist all dies. Schlimm genug, wenn eine sich selbst nennende antikapitalistische Partei unaufgefordert in das Bett der Gegner legt, parlamentarisch taktiert und rumeiert, statt in Opposition zu verbleiben. Es ist nicht Aufgabe einer sozialistischen Partei dafür zu sorgen, dass der staatliche Laden läuft. Das sollte man getrost dem Bürgertum überlassen. Es ist nur eine Frage kurzer Zeit, dann wird das BSW von seiner Wählerschaft den wohl verdienten Tritt verpasst bekommen. Was soll man denn auch von einer Partei erwarten, die in Sachen Krieg und Frieden jetzt schon wackelt und schwankt, dem wichtigsten Anliegen der Menschheit, zudem meint aus dem Kapitalsimus groß, was sozial rausleiern zu können.
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Leserbrief von Paul Vesper aus 52062 Aachen (2. Dezember 2024 um 12:14 Uhr)Lieber Leserbriefschreiber, Sie sind ein echter Maulheld. Das BSW hat sich nie als »antikapitalistische Partei« inszeniert, für die Sie es halten. Schon allein die Präambel des Koalitionsvertrags, gegen die die gesamte Meinungsmeute Stimmung gemacht hat, ist ein Erfolg. Im übrigen: Sie können doch rechnen und das Kräfteverhältnis nach den Wahlen und dann im Landtag zur Kenntnis nehmen. Setzen: Schulnote 6! Paul Vesper, DKP
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (28. November 2024 um 15:01 Uhr)Man merke an »Rot« steht für die SPD und »Lila« für das BSW. Mehr braucht man über die neue Partei beinahe nicht zu wissen. Ein Politikwechsel, den sich die CDU vorstellt, war nie geplant. Leider wird der Politikwechsel, für den die BSW-Wähler votierten, ebenfalls nicht stattfinden. Man fragt sich beim Lesen des Artikels, wo denn eigentlich der Unterschied zwischen den Koalitionären besteht. Wenn man es genau nimmt, gibt es ihn nicht. In Brandenburg regieren in Zukunft zwei Parteien, die man ohne Weiteres zu einer Partei zusammenlegen könnte. Die Enttäuschung über die Wagenknecht-Truppe kann nicht größer sein. Und das Lob Wagenknechts enthält Aussagen über die Stationierung von US-Raketen in der BRD, die man im Koalitionsvertrag so nicht findet. Wie man hört, gibt es einen »Rebellen«, der das Gemauschel zwischen SPD und BSW so nicht mittragen will. Bravo! Wenigstens einer mit Gewissen.
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