Nachschlag: Mord am Orient-Express
Wer sich vergleicht, wird verglichen. Lumets »Mord im Orient-Expreß« (1974) ist aus zwei Gründen kaum zu schlagen – ein unüberbietbares und nicht erst durch den Weihrauch des zeitlichen Abstands großes Ensemble, und des Umstands wegen, dass er die Figur des Poirot nicht verändert hat. Agatha Christie, die Meisterin des Whodunit, hatte die wichtigste Regel des Genres begriffen: Es geht um die Handlung, nicht um die Figuren. Schach auf der Leinwand. Es ließe die kühne These sich aufstellen, dass Christie alle logisch denkbaren Auflösungen in ihren Werken mindestens einmal hatte. Das stimmt vielleicht nicht, aber es könnte stimmen. So nämlich hat sie geschrieben. Branaghs alberner Versuch, in Poirots Seele zu dringen, kompensiert, dass er nichts Eigenes zu erzählen hat. Christies Poirot war ein schrulliger Moppel, genial als Detektiv und gewiss mit einigen Neurosen, aber nicht jener Leidebär mit Verdacht auf Asperger, als den die Kulturindustrie im Grunde jedes Genie sehen will. (fb)
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Christoph H. (1. Oktober 2024 um 20:55 Uhr)Danke, Herr Bartels. Diese elende bourgeoise Marotte, Erzählkunst mit küchenpsychologischem Tiefenschwindel zu verwechseln, gehörte schon längst mal wieder aufgespießt. Wer die Schönheit einer Schachpartie erkennen kann, der weiß, daß auch Film, Roman etc. ihre ästhetische Kraft aus Dingen wie Struktur, Dynamik, Balance, Schwung, Rhythmus, Novität beziehen – und nicht aus schematischem Seelenkitsch.
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