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Aus: Ausgabe vom 28.09.2024, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Klassengesellschaft

Die Hobbys der Superreichen

Massig Geld will »sinnvoll« investiert sein: In motorisierte Extravaganz und historisches Kriegsgerät
Von Rudolf Stumberger
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Höher, schneller, weiter: Das Barber Museum lockt mit Skulpturen, die Dynamik und Fortschritt versprechen

Briefmarkensammeln war einst das Hobby des kleinen Mannes, die Alben konnten leicht verstaut werden. Wer mehr Kleingeld übrig hatte, sammelte gerne Kunst – und bringt diese heute in eine Stiftung ein, auf dass der Staat dem Mäzen ein Museum baut, wie zum Beispiel beim Münchner Museum Brandhorst. Aber das sind alles Peanuts, verglichen mit den Hobbys der Superreichen in den USA. Die bauen sich die Häuser für ihre Sammlungen gleich selbst, irgendwas muss man ja mit den Millionen und Milliarden Dollars anfangen.

Beginnen wir sehr bescheiden in Seattle, der Hauptstadt des US-Bundesstaates Washington. Dort kann man für 500 Dollar im Monat Mitglied im »Derby« werden, das ist ein Klub für Oldtimersammler, das angeschlossene Restaurant steht jedem offen. Die Mitglieder können in einem exklusiven Klubraum Zigarren paffen, daneben stehen in der riesigen Halle ihre Sammlerobjekte und werden dort aufbewahrt und gewartet. Es finden sich jede Menge edler Marken – von englischen Cabrios über italienische Sportwagen bis hin zu den deutschen Porsches. Ein super restaurierter Porsche 365 B ist dann schon mal an die 350.000 Euro wert. Doch die Millionen, die hier herumstehen sind noch kaum der Rede wert, verglichen mit den Sammlungen anderswo.

PS-Boliden en masse

Zum Beispiel in Birmingham im US-Bundesstaat Alabama: Früher lebte man hier vom Stahlkochen und Eisengießen. Das ist freilich mittlerweile an die 40 Jahre her und aus den Eisengießereien wurden Industriemuseen, die alten Werkshallen dienen heute als Showbühne. Fährt man auf dem Highway Nr. 20 in Richtung Atlanta, dann erreicht man von Downtown Birmingham aus in 15 Minuten die Abfahrt 140 und gelangt so zum Barber Motorsports Museum. Dessen Ausstellungsstücke gehen zurück auf eine private Sammlung aus dem Jahre 1988, die 1994 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Der Gründer, Georg Barber, kommt aus einer Familie, die im Milchgeschäft und mit Grundstücken reich wurde und fuhr in den 1960er Jahren selbst Autorennen. 1999 wurden die ursprünglichen Ausstellungsräume in Birmingham zu klein und 2003 wurde das neue Museumsgebäude an der Interstate 20 eröffnet.

Von außen sieht das Barber Vintage Motorsports Museum aus wie eine moderne Fabrikationshalle von General Motors oder wie ein großer silberner Flugzeughangar. Linker Hand sind auf grünem Rasen drei übergroße Metallfiguren aufgestellt, die an »Supermänner« erinnern. Mit den Füßen auf der Achse eines Rades stehend, mit wehendem Umhang und nach vorne gerichteter Geste sollen sie wohl die Dynamik der Fortbewegung symbolisieren. Drinnen im Gebäude lassen sich dann die technischen Vehikel bestaunen, die derart dynamisches Fahren erlauben: Rund 1.200 Motorräder und Gespanne, ausgestellt auf fünf Ebenen und aufgestapelt wie Matchbox-Spielzeugautos. Ob ein Yale-Gespann aus dem Jahre 1913 oder eine »Münch Mammut«, das Museum – das laut Guinessbuch größte dieser Art weltweit – bietet eine umfassende Sammlung von motorisierten Zweirädern und gibt so einen eindrucksvollen Überblick über die Geschichte und Produktion des Motorrads.

Wer das weitläufige Museumsgebäude betritt und den Eintrittspreis von zehn Dollar bezahlt hat, ist zunächst von dem Anblick der Architektur und den darin ausgestellten Motorrädern beeindruckt. Bis in schwindelerregende Höhe stapeln sich in einer Art Boxen die PS-Boliden, weitläufig führt eine Rampe hinauf auf die verschiedenen Ebenen des Museums. In der Mitte sorgt ein zentraler, gläserner Lift sowohl für den Transport der Besucher als auch der Ausstellungsstücke. Ein derartiges Museum wäre in Europa kaum denkbar. Es ist übrigens auch deshalb eine Attraktion für Motorsportenthusiasten, weil auf dem Gelände eine 3,7 Kilometer lange Rennstrecke angesiedelt ist. Hier können sich die US-amerikanischen Besitzer von Porsches und anderen Sportwagen, die ansonsten wegen der landesweiten Geschwindigkeitsbeschränkung von maximal 130 Stundenkilometern auf den Autobahnen gerne weinen, endlich einmal austoben.

Mäzen mit Hang zu Nazikunst

Doch wenden wir uns der Kunst zu, und zwar in Milwaukee, der Stadt der Bierbrauer und der Deutschen. Gelegen im Nordosten der USA, am Ufer des großen Michigansees, war die Stadt das Ziel vieler Auswanderer aus Deutschland, noch heute zieren dort die bekannte Wurstfabrik »Usinger« alte Sprüche wie: »Schinken, Wurst und Schwartenmagen – Jedem Deutschen wohl behagen.« Ein Hofbräuhaus gibt es auch und Anfang des 20. Jahrhunderts sprach hier jeder zweite Einwohner deutsch. Hier findet sich ein privates Kunstmuseum, wie es wohl nur in den USA möglich ist. In den 1960er Jahren begann der aus Deutschland stammende Fabrikant Eckhart Grohmann Ölgemälde und Skulpturen zu sammeln, die sich mit dem Thema Arbeit beschäftigten. Heute ist diese Sammlung im Grohmann Museum in Milwaukee zu besichtigen, das 2007 eröffnet wurde.

Auf drei Etagen sind Exponate der Gemälde- und Skulpturensammlung aus vier Jahrhunderten zu sehen, die meisten aus dem deutschsprachigen Raum. Aufgeteilt ist das Museum in verschiedene Abteilungen, die jeweils einem Arbeitsbereich gewidmet sind. Im Mittelpunkt stehen der Bergbau und die Metallverarbeitung, hier finden sich frühe Ansichten von Dorfschmieden ebenso wie Bilder mit Ansichten der gewaltigen Industrieanlagen der 1920er Jahre. Etwa Otto Bollhagens »Im Walzwerk« oder die »Duisburger Kupferhütte« von Hans Müller. Mit Hans Dieter Tylle ist auch einer der wenigen zeitgenössischen Maler von Industriesujets vertreten, etliche Bilder zeigen den Produktionsprozess der Grohmannschen Aluminiumgießerei.

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Historische Einordnung der privat zusammengesammelten Werke sucht man vergeblich im Grohmann Museum

Es ist vielleicht der technischen Ausrichtung des Museums in Milwaukee geschuldet, dass das Gemälde »Konstruktion der Autobahnbrücke über die Werra« nicht deutlich aus der Reihe der anderen Werke herausgehoben ist. Denn dieses Gemälde zeigt den Bau der deutschen Reichsautobahn in Nazideutschland. Erich Mercker (1891–1973), ein Autodidakt, lebte nach dem Ersten Weltkrieg in München und wurde in den 1920er Jahren ein gefragter Industriemaler, 1928 nahm er mit zwei Werken – »Elektrizitätswerk Essen« und »Zentrale des R.W.E. Essen« – an der Essener Ausstellung »Kunst und Technik« teil. Nach der Machtübergabe an Hitler machte Mercker Karriere (er war im Mai 1933 der NSDAP beigetreten) und malte den Bau der Autobahn und der Nürnberger Kongresshalle, eine U-Boot-Werft im besetzten Frankreich oder den Marmorsteinbruch für die Berliner Reichskanzlei – finanziell höchst profitable Aufträge. Nach dem Krieg kehrte Mercker 1954 nach München zurück und wurde 1965 Präsident der Münchner Künstlergenossenschaft.

Grohmann hat mehr als 80 Mercker-Bilder in seiner Sammlung und einige davon hängen in der Ausstellung »Man at work«. Als 2007 das Museum eröffnet wurde, kritisierte eine lokale Tageszeitung die unkritische Darstellung von Kunst der Nazizeit und bemängelte, dass die Vergangenheit der ausgestellten Gemälde nicht aufgezeigt werde. In der Tat verzichtet das Museum weitgehend auf eine historische Einordnung seiner Exponate.

Naziluftwaffe auch begehrt

Alte Autos, Motorräder, Kunst – freilich alles Pipifax für diejenigen, die gar nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld. Mögen popelige Millionäre Oldtimer sammeln, echte Milliardäre sammeln etwas anderes: Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg – die noch fliegen. Und am liebsten und am teuersten dabei die Maschinen der Naziluftwaffe.

Wir sind wieder in Seattle. Am Flughafen Paine Field ist in mehreren Hallen die »Flying Heritage Collection« untergebracht, die wohl exklusivste Sammlung von flugfähigen Militärmaschinen. Dort findet sich zum Beispiel auch das deutsche Jagdflugzeug »Focke-Wulf« FW 190 A-5. Es ist das einzige flugfähige Exemplar dieses Typs. Das Kampfflugzeug wurde 1943 produziert, im Juli des Jahres machte der Pilot bei einem Einsatz nahe Leningrad eine Bruchlandung und geriet in sowjetische Gefangenschaft. Das Flugzeug blieb in der unzugänglichen Gegend liegen und wurde von Gebüsch überwuchert. In den 1980er Jahren wurde es ausgegraben, in die USA gebracht und aufwendig restauriert.

Die Focke-Wulf-Maschine ist Teil eines bizarren Marktes, zu der in Seattle auch eine Fi 103 Reichenberg gehört. Das war die bemannte Version der V1 – der »Vergeltungswaffe 1«, eine fliegende Bombe. Das in der »Flying Heritage Collection« ausgestellte Gerät wurde vor fast 15 Jahren in Bayern restauriert, in der Werkstatt von Alexander Kuncze. Der hatte sich auf die Wiederherstellung dieser Art Kriegsgerät spezialisiert, das schon mal für eine Million Euro verkauft wird. Für Jagdflugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg wie die deutsche »Me 109« oder die US-amerikanische »Mustang« werden auch schon mal dreieinhalb Millionen Euro hingelegt. Richtig preiswert erscheinen daneben Flugzeuge der jüngeren Geschichte, wie ein Düsenjäger vom Typ »Mig 21« aus den ehemaligen Beständen der NVA, sie sind schon ab 10.000 bis 50.000 Euro zu haben. Noch teurer als die teuren Flugzeuge werden aber in den USA deutsche Panzer wie der »Tiger« gehandelt, als bizarres Statussymbol für diejenigen, die sonst schon alles haben: Ein luxuriöser Markt, auf dem es wenig Angebote gibt.

Klar ist, dass flugfähige Maschinen aus dem Zweiten Weltkrieg nicht nur im Anschaffungspreis irrsinnige Summen kosten, auch Restaurierung und Wartung verschlingen Geld ohne Ende. Wer sich das als Privatmensch leisten kann, muss schon mehr als ein paar Millionen Dollar sein Eigen nennen. So wie der verstorbene Microsoft-Mitbegründer Paul Allen, dem ersten Besitzer der »Flying Heritage Collection«. Der neue Besitzer ist laut Presseberichten Steuart Walton, Spross der Milliardärsfamilie Walton und Chef der Supermarktkette Wal-Mart, dem laut Wikipedia umsatzstärksten Unternehmen der Welt.

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