Gegründet 1947 Montag, 4. November 2024, Nr. 257
Die junge Welt wird von 2974 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 28.09.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Bankenfusion

Unicredit macht Druck

Drohende Übernahme: Commerzbank versucht Flucht nach vorn. Management verspricht höhere Profite
Von Klaus Fischer
9.jpg
Verdi und Belegschaft am 24. September: Keine Übernahme durch Unicredit zulassen

Ist das eine Kampfansage oder bereits das Schönschminken für das künftige Mutterhaus? Die von der Übernahme durch den Finanzkonzern Unicredit bedrohte Commerzbank verkündete am Donnerstag, künftig auf höhere Rendite und mehr Geld für die Aktionäre zu setzen. Was insofern seltsam ist, als das als selbstverständlich gelten dürfte. Vor allem ist der Zeitpunkt interessant: Kurz vor einem ersten Treffen mit dem Angreifer aus Italien am Freitag verkündete der Dax-Konzern diese laut Nachrichtenagentur dpa »ehrgeizigeren Ziele«.

Das Treffen mit dem neuen Großaktionär war von Bettina Orlopp auf einer Branchenkonferenz in London angekündigt worden. Orlopp ist Mitglied des Vorstands und übernimmt demnächst den Chefposten beim Frankfurter Kreditinstitut. Die Unicredit hatte sich in den zurückliegenden Monaten vom Bund und am Markt ein großes Aktienpaket des zweitgrößten deutschen Bankkonzerns gekauft. Inzwischen beläuft sich deren Anteil laut Medienberichten auf 21,5 Prozent.

Aufhübschen oder Widerstand? Die Commerzbank habe erhebliches Wachstums- und Wertsteigerungspotential, zitierte dpa Jens Weidmann. Der frühere Merkel-Berater und spätere Bundesbankpräsident ist derzeit dort Aufsichtsratschef. Das Institut baue seine eigenständige Position als eine starke Säule im deutschen Bankenmarkt und zuverlässiger Partner der heimischen Wirtschaft aus, so Weidmann. Und Orlopp hob die Rolle des Geldhauses für die deutsche Wirtschaft hervor. »Der Mittelstand ist unsere DNA«, sagte sie. Es sei wichtig, diese Kunden zu verstehen. Und natürlich vor allem die Aktionäre besser zu bedienen: Für die Jahre 2025 bis 2027 will die Commerzbank die Ausschüttungsquoten (des Gewinns) auf mehr als 90 Prozent erhöhen.

Vor allem drei Faktoren dürften dafür entscheidend sein, ob die Commerzbank künftig – wie einst die Hypovereinsbank – im Magen der Unicredit verschwindet: Die für das allgemeine Bankgeschäft abträgliche Leitzinssenkung, die Positionierung der Bundesregierung und der Druck, den Verdi und die Belegschaftsvertreter auf diese ausüben können.

Verdi und der Betriebsrat hatten sich bereits klar positioniert, als die Nachricht bekannt wurde, dass Unicredit an der Commerzbank interessiert sei. Die Leitzinsen werden weiter unter Senkungsdruck stehen. Zu groß ist der Einfluss der US-gesteuerten Finanzmärkte und deren mächtiger Akteure. Nicht zuletzt die Regierungen der hochverschuldeten Staaten haben ein Eigeninteresse an niedrigen Zinsen. Fakt ist, es gibt stets Gewinner und Verlierer, wenn die Zentralbanken an der Zinsschraube drehen.

Dennoch dürften am Ende politische Entscheidungen den Ausschlag geben. Und hier droht auch ein neuer Dissens mit der EU-Zentrale. Die will EU-weite Bankenkonzerne um jeden Preis. Bisher hielt sich die Bundesregierung weitgehend zurück. Sie stoppte weder den Verkaufsprozess der Aktien noch kam eine klare Ansage. Lediglich Kanzler Olaf Schulz (SPD) hatte ein wenig gegrummelt. Das hat am Freitag eine neue Nuance erhalten. Denn Finanzminister Christian Lindner (FDP) habe sich Insidern zufolge in den Streit eingeschaltet und in Gesprächen mit der italienischen Regierung vor einer feindlichen Übernahme der Commerzbank gewarnt, zitierte Reuters zwei »mit dem Vorgang vertraute Personen«. Was immer auch das bedeutet.

Übernahme oder nicht? Wie absurd – und zugleich logisch verständlich – diese ganze Angelegenheit letztlich ist, macht ein kurzer Blick in die Vergangenheit und auf einen der damaligen großen Akteure deutlich. Unicredit-Boss Andrea Orcel war 2007 Berater der US-Investmentbank Merrill Lynch und in dieser Eigenschaft maßgeblich an der Übernahme des niederländischen Bankkonzerns ABN Amro durch die Royal Bank of Scotland (RBS) beteiligt. Aus diesem Deal entstand die damals weltgrößte Bank. Doch der Spaß war schnell vorbei, als ein Jahr später die Bankenkrise richtig Fahrt aufnahm, bei der auch die Commerzbank vom Staat »gerettet« werden musste: Merrill Lynch ging pleite. Von dem mächtigen Finanzadler RBS blieb ein gerupftes Huhn übrig – und die Steuerzahler der wichtigsten westlichen Staaten wurden zusätzlich geplündert, um die Rettungsaktionen zu finanzieren. Nur die Branche machte weiter wie üblich. Andrea Orcel stieg auf und steht nun (vielleicht) mit der Unicredit vor einem neuen großen Coup.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Zentrale der Notenbank in Beijing
    26.09.2024

    Chinas Volksbank setzt Impulse

    Zinsen für Immobilienkredite sinken. Britische HSBC sitzt in Hongkong auf Zahlungsausfällen in Milliardenhöhe
  • Kathedrale der Finanzwirtschaft steht auf tönernen Füßen (Frankf...
    16.09.2024

    Bankenturm wackelt

    Italienische Unicredit hat Commerzbank im Visier. Verdi warnt vor Schwächung des Standorts

Mehr aus: Kapital & Arbeit