Aus vergangenen Zeiten
Von René LauWas konnten wir unsere Politiker bei der Europameisterschaft bewundern. Ein paar Selfies auf der Tribüne hier, ein Winken in die Kamera dort, Umarmungen überall. In den Augen unserer Politiker war die Fußballwelt in Ordnung.
Aber wehe, es geht wieder um schnöden Alltagsfußball und nicht um die schöne heile Welt. Und wenn dann noch irgendwo eine Fackel brennt und Wahlen vor der Tür stehen, kann es gar nicht genug um »Law and Order« gehen. Denn dann ist der gemeine Fußballfan für jeden Innenpolitiker wieder die Inkarnation des Bösen, die für alles Schlechte in diesem Land verantwortlich ist.
Wen wundert es da, wenn ausgerechnet die Forderungen des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann in einem Interview dieser Woche in der Springer-Presse kaum mehr zu überbieten sind. Seine Forderungen nach personalisierten Tickets, Kollektivstrafen, leeren Blöcken oder gar Schnellgerichten für Fußballfans lesen sich, als kämen sie aus einer längst vergangenen Zeit, in der es sachliche Diskussionen zwischen Fans und Verbänden nie gegeben hat.
In der Tat muss man sich fragen, auf welchem Planeten Herrmann in den letzten Jahren eigentlich gelebt hat. Offensichtlich will er nicht einmal die polizeieigenen Statistiken wahrhaben. Diese belegen bei 24 Millionen Zuschauern bei den Spielen der ersten bis dritten Liga sowie denen im DFB Pokal in der Saison 2022/2023 1.176 Verletzte. Das schließt die Verletzten durch Pfefferspray der Polizei ein. Wie kann ein Minister da ernsthaft vom Stadion als einem unsicheren Ort sprechen? Auf jedem Volksfest in der bayerischen Provinz gibt es vergleichsweise mehr Straftaten oder Verletzte. Dem Minister täte es gut, sich nicht von Polizeigewerkschaftern beraten zu lassen, sondern sich der Fanwirklichkeit zu stellen. Und sollte Herrmann als Bayer nicht wissen, wie er das anstellen soll, darf er gerne die Hauptstadt besuchen. In der Ostkurve des Olympiastadions, der Waldseite der Alten Försterei oder auf der Gegengeraden des Sportforums findet er die gesprächsbereiten Protagonisten des Fußballs, die er in seinem Interview so verteufelt. Dabei wird er feststellen, dass die Stadien verhältnismäßig sichere Orte sind, die von einer Fankultur leben, um die uns halb Europa beneidet.
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