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Aus: Ausgabe vom 13.09.2024, Seite 14 / Medien
Zeitungssterben

Umsonst ist nur der Tod

Zeitungssterben in der Schweiz: Lokalblätter aus Bern haben eine Spendenkampagne gestartet, werden mittelfristig aber kaum überleben
Von Kim Nowak
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Rascheln von gestern: Zeitungsleser in Bern (2017)

Die Auflagen gedruckter Tages- und Wochenzeitungen sinken nicht erst seit gestern, auch in der Schweiz. Immer mehr Leute beziehen Informationen online, vor allem gilt das für jüngere. Als Reaktion darauf stellen die allermeisten Printzeitungen ihre Beiträge auch im Internet zur Verfügung – oft schon einen Tag, bevor die gedruckten Ausgaben an die Abonnenten und Kioske verteilt werden. Auch in der Alpenrepublik ist der Onlineauftritt für viele Medienhäuser längst zentrale Einnahmequelle, während der Papierjournalismus nur noch als Nebenprodukt verstanden wird. Der überwiegende Teil der Printausgaben dürfte in naher Zukunft eingestellt werden. Diese Entwicklung ist auch in der BRD zu beobachten. Der Springer-Konzern konzentriert sich seit Jahren auf das Onlinegeschäft, die »sozialistische Tageszeitung« nd verbreitet ihre Montagausgabe nur noch digital, das Magazin Boxsport erscheint nach mehr als 100 Jahren seit diesem Sommer nur noch als E-Paper.

Eine Besonderheit der Schweiz sind die zahlreichen kostenlosen Zeitungen, zu denen auch das Boulevardblatt Blick gehört. Einigen droht inzwischen das komplette Aus, so zwei bislang kostenlosen Lokalzeitungen aus Bern. Ende August meldete der Verlag SR Medien Group Konkurs an. Er bringt den Berner Landboten und den Anzeiger Region Bern heraus. Um die Ausgaben für diese Blätter weiterhin aufbringen zu können, braucht der Verlag kurzfristig mindestens 400.000 Franken (424.000 Euro).

Bis Ende vergangenen Jahres wurden die beiden Zeitungen noch von der Stadt und der Region Bern finanziert. Diese Geldquelle ist nun versiegt. Dabei blickt besonders der Anzeiger auf eine traditionsreiche Geschichte zurück. Gegründet vor mehr als 140 Jahren, war der Anzeiger lange das offizielle Amtsblatt der Stadt Bern und der umliegenden Gemeinden. 2020 kam es zu einem Managerbuyout, das Blatt wurde vom Management gekauft. Seit diesem Jahr nun werden die amtlichen Informationen der Schweizer Hauptstadt im Internet zur Verfügung gestellt. Die Auflage des Anzeigers ist von 150.000 auf 50.000 gesunken.

Um das Ende noch zu verhindern, hat die SR Medien Group eine Spendenkampagne aufgelegt. Sowohl beim Anzeiger als auch dem Landboten lancierte Verlagsleiter Christof Ramseier einen Aufruf, der die desolate Lage der Zeitungen thematisierte. Doch bis zum jetzigen Zeitpunkt scheint die Spendierfreudigkeit der Leser eher gering. Gegenüber dem SRF unterstrich Ramseier die Dringlichkeit: »Wir sind an einem Punkt, wo wir dringend auf die Unterstützung angewiesen sind, sonst können wir nicht weitermachen.« Gefährdet seien auch die Arbeitsplätze der acht angestellten Redakteure. Medienjournalist Nick Lüthi hat zu Recht darauf hingewiesen, dass selbst ein Erfolg der Kampagne keineswegs sicherstelle, »dass diese Medien überleben können.« Dennoch sieht er das Sterben der Lokalzeitungen kritisch. Der Medienlandschaft drohten damit erhebliche Verluste. »Gerade der Anzeiger zeigt mit guten Texten, was Lokaljournalismus kann.«

Für den Politikberater Mark Balsiger führt das Zeitungssterben zu einer Verengung des Meinungskorridors: »Die mediale Grundversorgung mit Informationen ist in Gefahr.« Allein das Medienunternehmen CH Media versorgt mittlerweile 17 Zeitungen mit denselben Informationen. Den Wettbewerb um die Senkung der Kosten könnten Lokalzeitungen nur verlieren. »Die Lokalmedien verlieren ihre Informations- und Wächterfunktion, wenn sie keine Journalisten mehr vor Ort haben«, so Balsiger. Er kritisiert aber auch die Medienhäuser selbst, die im Internet lange alle Angebote kostenfrei zur Verfügung stellten. »Das Umdenken beim Publikum, dass Journalismus etwas kostet, findet nur langsam statt.« Sollte sich die Erkenntnis bei den Lesern weiterhin so langsam durchsetzen, wird der Groschen erst fallen, wenn es für viele Lokalzeitungen bereits zu spät ist.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth, Hamburg (13. September 2024 um 14:28 Uhr)
    Zitat: »Umsonst ist nur der Tod«. Stimmt nicht, er kostet das Leben.

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