Gegen den Tod in Haft
Von Jürgen HeiserGegen das buchstäbliche Verrotten von Gefangenen mit lebenslangen Freiheitsstrafen im US-Gefängnissystem kämpft das Abolitionist Law Center (ALC) bereits seit Jahren. Erst im vergangenen Herbst wurde der Kampf auch auf der internationalen Bühne sichtbar: Von Oktober bis November sagten Mitglieder einer US-Delegation von Abolitionisten des ALC und zehn weiteren Gruppierungen vor dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen in Genf aus. Sie bezeugten die prekäre Lage im US-Gefängnissystem.
Wie ALC-Geschäftsführer Robert Saleem Holbrook in einem Onlineseminar über Mumia Abu-Jamal Anfang August erklärte, ist es der Delegation gelungen, vor den in Genf zahlreich vertretenen Menschenrechtlern aus UN-Mitgliedstaaten »die Lage der politischen Gefangenen in den größeren Kontext des ›Death by Incarceration‹ (DBI) und der Masseninhaftierung in den USA einzuordnen«. Dem Fall von Abu-Jamal sei dabei zentrale Bedeutung zugekommen.
Der Begriff »Tod durch Haft« (Death by Incarceration, DBI) bezieht sich auf Verurteilungspraktiken in den USA. Dazu gehören lebenslänglich mit oder ohne Bewährung, sehr lange Zeitstrafen und solche mit unbestimmter Dauer, die jede Lebenserwartung ebenso überschreiten wie mehrere Einzelstrafen eines Verurteilten, die »konsekutiv«, also nacheinander verbüßt werden müssen. Nach Aussage der Befürworter dieser Strafmaßnahmen sehen Gerichte diese Strafen in der Regel als Alternative zur Hinrichtung an. In den Augen von Kritikern wie dem ALC sind sie indes »nur eine andere Form der Todesstrafe und damit Folter«.
Der US-Delegation in Genf gehörte Stanley »Jamel« Bellamy von der New Yorker Kampagne »Release Aging People in Prison« (»Lasst alternde Menschen aus Gefängnissen frei«, jW). 1987 war Bellamy im Alter von 23 Jahren zu einer Mindeststrafe von 62 Jahren bis lebenslänglich verurteilt worden. Er rechnete damit, erst mit 85 Jahren vom Bewährungsausschuss angehört zu werden – vorausgesetzt, er wäre dann noch am Leben.
Besonders an Bellamys Fall ist nicht die übermäßig lange Haftstrafe, zu der er als junger Mann verurteilt wurde, sondern dass er nach 37 Jahren vorzeitig freikam: Auf den Fall aufmerksam geworden durch RAPP und vergleichbare Kampagnen erließ die amtierende New Yorker Gouverneurin Kathleen Hochul (Demokraten) dem Gefangenen Bellamy im Dezember 2022 die Reststrafe. Weil auch die Mühlen der US-Justiz langsam mahlen, kam er jedoch erst vier Monate später, am 24. April 2023, aus dem Knast frei, inzwischen 59 Jahre alt.
Ehemalige Lebenslängliche wie Bellamy und Holbrook erzählten in Genf ihre persönliche Geschichte, um auf Zustände aufmerksam zu machen, von denen rund 200.000 zu lebenslanger Haft Verurteilte in den USA betroffen sind. »Diese Strafe trifft nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Gemeinden, zerreißt Familienbande und setzt für Generationen Kreisläufe von Armut und Schmerz fort. Dieses System wird nicht von der Achtung vor dem Leben getragen«, so die US-Delegation in ihrer Eingabe.
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