Stimmung machen kostet
Von Martin Weiser, SeoulMitte Juli wurde in den USA Anklage erhoben gegen Sue Mi Terry, die dort zu den Größten zählt, die gegen Nordkorea Stimmung machen. Grund waren allerhand Geschenke, die ihr der südkoreanische Geheimdienst in den letzten zehn Jahren gemacht haben soll und für die sie sich anscheinend mit Informationen, organisierten Veranstaltungen und gefälligen Meinungsartikeln in namhaften Zeitungen revanchierte. Sie war selbst von 2001 bis 2008 bei der CIA und dann noch zwei Jahre in Regierungspositionen, um danach wohlbezahlt in den zivilen Sektor zu wechseln. Aber das reichte anscheinend nicht. Laut der Anklageschrift gab es vom Geheimdienst hier mal einen Luxusartikel für Tausende Euro, da eine Einladung in ein sehr teures Restaurant oder auch mal 37.000 US-Dollar auf ihr »Schenkungskonto« beim Thinktank Wilson Center, als sie dort ein Programm zu Südkorea leitete. Das wäre eigentlich gar nicht illegal gewesen, nur wollte sie sich nicht als »ausländischer Agent« registrieren lassen. Dann hätte man sie schließlich nicht mit hochdotierten Stellen versorgt, und die Zeitungen hätten nichts von ihr gedruckt. Sue Mi Terry wäscht derweil ihre Hände in Unschuld. Sie habe keine nennenswerten Informationen weitergegeben, und anscheinend hätte sie die Meinungsartikel größtenteils auch ohne die finanziellen Anreize geschrieben.
Die Anklage scheint aber nur die Spitze des Eisbergs dessen öffentlich zu machen, was der südkoreanische Geheimdienst unternimmt, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Entweder hatte ihn die US-Polizei nur in diesem Fall ertappt, oder, viel wahrscheinlicher, man wollte die anderen Fälle nicht öffentlich machen. Damit wären auch Abhörmethoden bekannt geworden und womöglich hohe Tiere in Bedrängnis geraten. Ganz nach dem koreanischen Sprichwort »Ein Huhn erlegen, um die Affen zu erschrecken« hat diese eine Anklage bereits genug abschreckende Wirkung auf andere, die sich vom südkoreanischen Geheimdienst haben einspannen lassen. Sue Mi Terry kam nach einer Nacht in U-Haft und einer halben Million Dollar Kaution wieder auf freien Fuß.
Dabei kommt das konservative südkoreanische Establishment eigentlich auch ohne diese Spielereien des Geheimdienstes aus. Wenn seine Vertreter Erzählungen über Nordkorea in den USA kundtun, hängt man für gewöhnlich an ihren Lippen und hinterfragt weder die politische Agenda noch den Wahrheitsgehalt. So etwa auch beim jüngsten »Internationalen Dialog über Nordkoreas Menschenrechte«, der am 23. Juli beim Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington, D. C., abgehalten wurde. Bei der Veranstaltung durfte der Chef des Zentrums für Nordkoreanische Menschenrechtsdokumentation im südkoreanischen Wiedervereinigungsministerium erzählen, Nordkorea habe 2022 einen 22jährigen für das bloße Anschauen südkoreanischer Seifenopern und Filme hingerichtet. Offensichtlich bezog er sich auf den Menschenrechtsbericht seiner Einrichtung, der einen Monat zuvor veröffentlicht worden war. Allerdings findet sich das im Bericht leicht anders, dort wurde der Mann hingerichtet für das Anschauen und Verteilen der Videos. Passend dazu wurde ein Propagandavideo des Ministeriums gezeigt, das angeblich auf den »wahren Geschichten« beruht, die im Menschenrechtsbericht vorgestellt werden. Darin war ebenfalls nur von einer Exekution für das Anschauen südkoreanischer Filme die Rede, einschließlich der Erklärung, dass man früher für so etwas nur ein Jahr ins Gefängnis kam. Im Bericht steht Letzteres aber wiederum anders. Dort sagt derselbe Flüchtling, früher sei man für bloßes Anschauen nur ein Jahr zum Arbeitsdienst abkommandiert worden, und jetzt gebe es dafür Gefängnis.
Dass dieses Ministerium so wenig wert auf die Wahrheit legt und anscheinend keiner den Bericht gelesen hat, ist doch etwas überraschend. Schließlich würde keiner bei dem Propagandavideo daran denken, dass sich die Regierungsbeamten künstlerische Freiheiten herausgenommen haben. Der Minister höchstselbst betonte im Vorwort zur Veranstaltung, der erste Schritt, um Nordkorea zur Rechenschaft zu ziehen, sei die präzise Dokumentation der Fakten. Aber anscheinend machen sie dann doch lieber Propaganda.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
-
Leserbrief von B.S. aus Ammerland (29. Juli 2024 um 22:33 Uhr)Erinnert das nicht stark an eine Dame aus dem Grünen-Milieu … Auch hier wird die Beteiligung eines fremden Geheimdienstes vermutet. Trau, schau wem …
Ähnliche:
- 22.07.2024
Auftritt des Überläufers
- 09.04.2024
Leerstelle im Programm
- 05.01.2024
Pazifische Bande
Mehr aus: Ausland
-
Warum der 7. Oktober?
vom 30.07.2024 -
Militär in der Defensive
vom 30.07.2024 -
Verwirrung um Piroğlu
vom 30.07.2024 -
Melonis »heikle Mission«
vom 30.07.2024 -
Israel bereitet Schlag gegen Libanon vor
vom 30.07.2024 -
Zuhause nicht sicher
vom 30.07.2024