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Aus: Ausgabe vom 11.06.2024, Seite 4 / Inland
Friedensgutachten 2024

Für Völkerrecht statt Staatsräson

Friedensgutachten 2024: BRD soll Waffenexporte an Israel einstellen und Palästina anerkennen
Von Marc Bebenroth
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Zwischen Regierungslinie und Friedenspolitik: Die Forscherin Urusla Schröder in der Bundespressekonferenz (Berlin, 12.6.2023)

Der Weg zum Weltfrieden wird länger. Aktuell verzeichne man »die höchste Zahl an Gewaltkonflikten weltweit, die es je gab«, stellte Ursula Schröder vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg am Montag in Berlin fest. Gemeinsam mit drei weiteren Friedensforschern hat sie das »Friedensgutachten 2024« präsentiert. Von den vielen Kriegen seien zwei besonders »unerträglich«: der in der Ukraine und der in Gaza.

Die Friedensforscherin aus Hamburg betonte, dass die Hamas eine »Vernichtungslogik« verfolge und das Existenzrecht des Staates Israel infrage stelle. Schröder hielt aber auch fest, dass dessen militärisches Vorgehen zu weit gehe angesichts von mehr als 34.000 toten Palästinensern, getöteten Geiseln und der humanitären Katastrophe im Gazastreifen. Die Bundesregierung müsse Waffenlieferungen an Israel stoppen und es müsse einen Waffenstillstand sowie die Freilassung aller Geiseln durch die Hamas erfolgen. Schließlich solle Palästina als Staat anerkannt werden.

In dem Gutachten wird die Umsetzung der Resolution 2728 des UN-Sicherheitsrats vom 25. März gefordert. Diese verlangt einen anhaltenden Waffenstillstand sowie die Ausweitung humanitärer Hilfslieferungen. Auch müsse die Hilfsorganisation UNRWA »wieder unterstützt werden«, heißt es im am Montag vorgelegten, 156 Seiten langen Dokument. Außerdem müsse Gaza wieder aufgebaut werden. Und anders als die Bundesregierung spricht das Gutachten davon, dass Israels Kriegshandlungen gegen das Völkerrecht verstoßen, weshalb die BRD Waffenlieferungen aussetzen müsse. Schröder zufolge gelte hier: Völkerrecht gehe vor Staatsräson.

Zum Ukraine-Krieg erklärte Conrad Schetter vom Bonn International Centre for Conflict Studies, dass Kiew durch fortlaufende Unterstützung zu Verhandlungen befähigt werden müsse. Der Druck auf Russland müsse zugleich aufrechterhalten werden, ergänzte Schröder. Nach der Bedeutung der Westorientierung Kiews gefragt, räumte der Friedensforscher ein, dass der Westen Fehler begangen habe. So hätte es »sicher auch Möglichkeiten gegeben, stärker Russland einzubeziehen in das westliche Sicherheitsgebilde«. Verzichtbar seien der Ausstieg der USA aus Rüstungskontrollverträgen ebenso gewesen wie die Eröffnung einer US-Militärpräsenz am Schwarzen Meer. Auf die Frage von junge Welt nach dem Inhalt einer anhaltenden Verhandlungslösung, erklärte Christopher Daase vom Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main, dass es erst einen Waffenstillstand geben, dann über territoriale Fragen geredet werden müsse.

An der Afrikapolitik der Bundesregierung hatte Schetter auszusetzen, dass Berlin gegenüber Putschistenregierungen nicht einheitlich auftrete. Von jW nach der Rolle der Handels- und Wirtschaftspolitik der BRD und der EU gefragt, beschied der Bonner Forscher der Ampelregierung, sich von »paternalistischen Tendenzen der Vorgängerregierung« abgegrenzt zu haben, aber auf das Fortschreiben der bisherigen Handelspolitik zu bestehen. Durch diese würden »gerade afrikanische Staaten benachteiligt«. »Die Ungleichheit zwischen afrikanischen Staaten und Europa, aber auch innerhalb der afrikanischen Gesellschaften«, werde »stärker zunehmen« und könne weitere Konflikte mit sich bringen.

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