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Aus: Ausgabe vom 18.05.2024, Seite 15 / Geschichte
1848/49

Organ der Revolution

Die Neue Rheinische Zeitung markiert den Beginn der proletarischen Presse. Vor 175 Jahren erschien ihre letzte Ausgabe
Von Gerhard Feldbauer
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Marx und Engels in der Redaktion der Neuen Rheinischen Zeitung (Gemälde von E. Capiro, 1895)

Kurz nach den Volksaufständen in Wien und Berlin wurden Ende März 1848 in Paris in einem Flugblatt thesenartig die »Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland« verbreitet. Es war der Beginn der Agitation des von Karl Marx und Friedrich Engels gebildeten Bundes der Kommunisten, der aus dem von dem utopischen Sozialisten Wilhelm Weitling gegründeten »Bund der Gerechten« hervorgegangen war.

Von Paris aus war es jedoch schwierig, aktiv auf die Revolution in Deutschland einzuwirken. Deshalb begaben sich Marx und Engels wenig später nach Köln, dem Zentrum der rheinischen Industrie, um dort die Gründung eines Mediums, der Neuen Rheinischen Zeitung (NRZ), vorzubereiten. Geleitet von Marx als Chefredakteur erschien sie ab dem 1. Juni 1848 als »Organ der Demokratie« und als einziges in Deutschland erscheinendes Blatt, das eine konsequent revolutionär-demokratische Position bezog. Mit der NRZ entstand ein zur Organisierung des Proletariats und seiner revolutionären Partei sowie der Orientierung der demokratischen Kräfte in der Revolution dringend erforderliches Publikationsorgan. Mit ihm schlug die Geburtsstunde der proletarischen Presse.

Die richtigen Schlüsse

Die NRZ publizierte die von Marx und Engels erarbeiteten philosophischen Grundlagen des wissenschaftlichen Kommunismus, Leitsätze über die Rolle des Proletariats und seiner Diktatur und Prinzipien der Taktik des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse in der Revolution. Als historische Hauptaufgabe stellten Marx und Engels die Beseitigung der ökonomischen und politischen Zersplitterung durch die Schaffung einer einigen unteilbaren demokratischen Republik, um den Weg für eine fortschrittliche Entwicklung in Deutschland frei zu machen. Das schloss ein, die Feudalordnung zu beseitigen. Sie legten ein konkretes Programm der bürgerlich-demokratischen Revolution vor, in deren siegreichen Verlauf sie den Prolog zu einer folgenden proletarischen sahen. Dabei entwickelten sie, wie Lenin später hervorhob, bereits den Begriff der revolutionär-demokratischen Diktatur.

Eingehend analysierten Marx und Engels die revolutionären Kämpfe in Frankreich, Österreich, Ungarn, Italien, Polen, und Böhmen. So untersuchten sie die Ursachen der Niederlage des revolutionären Wien am 1. November und des Staatsstreichs der preußischen Reaktion. Im Pariser Juniaufstand sahen sie »eine Revolution des Proletariats gegen die Bourgeoisie, einen Kampf der Arbeit gegen das Kapital, eine selbständige Aktion des Proletariats zur Verteidigung seiner Klasseninteressen«. Marx und Engels riefen die revolutionären Kräfte auf, daraus die richtigen Lehren zu ziehen und sie furchtlos bei den noch bevorstehenden Kämpfen anzuwenden. Engels befasste sich mit Fragen des bewaffneten revolutionären Kampfes in Italien und Ungarn. Zum Juniaufstand in Paris zog er wichtige Schlussfolgerungen über die Bedeutung des Straßen- und Barrikadenkampfes und legte damit Fundamente für die marxistische Lehre für den bewaffneten Aufstand. Bezüglich Ungarns analysierte er den Volkscharakter des Krieges und die entschlossenen revolutionären Methoden der Regierung Lajos Kossuth. Seine unter Pseudonym geschriebenen Beiträge brachten ihm die Anerkennung von Fachmilitärs ersten Ranges ein, die keine Ahnung hatten, dass der Schreiber ein plebejischer Fabrikantensohn aus Barmen war. Sie wurden einem hohen Militär der ungarischen Armee zugeschrieben.

Mit den führenden Mitgliedern des Bundes der Kommunisten auf dem äußersten linken Flügel der Revolution stehend, traten Marx und Engels für ein enges Bündnis mit den Demokraten ein und kritisierten gleichzeitig die Fehler und Illusionen der kleinbürgerlich-demokratischen Führer. Scharfe Kritik übten sie am Zurückweichen der Frankfurter Nationalversammlung vor der preußischen Reaktion. Als im Frühjahr 1849 in der Rheinprovinz und anderen Gebieten Westdeutschlands Volksaufstände zur Verteidigung der Reichsverfassung ausbrachen, unterstützten sie diese Bewegung trotz der begrenzten Ziele und Möglichkeiten. Engels nahm am Aufstand in Elberfeld teil und begab sich danach zur Badisch-Pfälzischen Revolutionsarmee, wo er als Adjutant und Stabschef im Freikorps von Oberst August Willich kämpfte. Marx begab sich nach Paris, um vor Ort die Analyse der revolutionären Ereignisse zu vertiefen.

Die entscheidende Ursache dafür, dass das deutsche Volk nicht den Sieg über den Feudalismus erringen konnte, lag, wie Marx und Engels darlegten, im verräterischen Paktieren der Bourgeoisie, die aus Angst vor der sich abzeichnenden Rolle des Proletariats »nur Rettung in jedem, auch dem feigsten Kompromiss mit Monarchie und Adel« sah.

Internationalismus

In der NRZ zeigte sich Marx großartige Begabung als Journalist und Redakteur, sein brillanter Stil, seine glänzenden Analysen aber auch sein Talent als Chefredakteur und Organisator der Zeitung. »Es war in erster Linie sein klarer Blick und seine sichere Haltung«, hielt Engels fest, »die das Blatt zur berühmtesten deutschen Zeitung der Revolutionsjahre gemacht haben«.

Angesichts der sich ständig verschärfenden Verfolgung durch die preußische Regierung, die Marx nach dem Scheitern der Aufstände in der Rheinprovinz des Landes verwies, musste die NRZ am 19. Mai 1849 ihr Erscheinen einstellen. In ihrer letzten Nummer, deren erste Seite in rotem Druck erschien, betonten Marx und Engels vor allem den proletarischen Internationalismus, in dem sie vom Juniaufstand der Pariser Arbeiter ausgehend schrieben, »die Seele der Junirevolution« war »die Seele unserer Zeitung«. Die Redakteure richteten eine Abschiedsbotschaft »an die Kölner Arbeiter«, in der es hieß, das »letzte Wort wird überall und immer sein: Emanzipation der arbeitenden Klasse!«

In einem aufrüttelnden Abschied nannte Ferdinand Freiligrath die NRZ »eine stolze Rebellenleiche«; nicht »in offener Schlacht«, sondern »aus dem Hinterhalt«, durch »schleichende Niedertracht« zu Fall gebracht.

Stolze Rebellenleiche

Kein offener Hieb in offener Schlacht –

Es fällen die Nücken und Tücken,

es fällt mich die schleichende Niedertracht

der schmutzigen West-Kalmücken!

Aus dem Dunkel flog der tötende Schaft,

aus dem Hinterhalt fielen die Streiche –

Und so liege ich nun da in meiner Kraft,

eine stolze Rebellenleiche!

*

Auf der Lippe den Trotz und den zuckenden Hohn,

in der Hand den blitzenden Degen,

noch im Sterben rufend: »Die Rebellion«! –

So bin ich in Ehren erlegen.

Oh, gern wohl bestreuten mein Grab mit Salz

Der Preuße zusamt dem Zare –

Doch es schicken die Ungarn, es schickt die Pfalz

Drei Salven mir über die Bahre!

*

Und der arme Mann im zerrißnen Gewand,

er wirf auf mein Haupt die Schollen;

er wirft sie hinab mit der fleißigen Hand,

mit der harten, der schwielenvollen.

Einen Kranz auch bringt er aus Blumen und Mai’n,

zu ruhen auf meinen Wunden;

den haben sein Weib und sein Töchterlein

nach der Arbeit für mich gewunden.

*

Nun ade, nun ade, du kämpfende Welt,

nun ade, ihr ringenden Heere!

Nun ade, du pulvergeschwärztes Feld,

Nun ade, ihr Schwerter und Speere!

Nun ade – doch nicht für immer ade!

Denn sie töten den Geist nicht, ihr Brüder!

Bald richt ich mich rasselnd in die Höh,

bald kehr ich reisiger wieder!

*

Wenn die letzte Krone wie Glas zerbricht,

in des Kampfes Wettern und Flammen,

wenn das Volk sein letztes »schuldig« spricht,

dann stehn wir wieder zusammen!

Mit dem Wort, mit dem Schwert, an der Donau, am Rhein – Eine allzeit treue Gesellin

wird dem thronezerschmetternden Volke sein

die Geächtete, die Rebellin!

Ferdinand Freiligrath

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