Feuerwolke und Wassersturz
Von Gisela Sonnenburg![10.jpg](/img/450/195058.jpg)
Alles Sein ist vergänglich. Vorher sollte es aber Spaß gemacht haben – und lehrreich sein. So wie am Donnerstag abend beim Konzert von Khoi Khonnexion in der Maigalerie der jungen Welt in Berlin-Mitte. Vier Musiker trafen aufeinander, um zur Ausstellungseröffnung mit den Bildern von Garth Erasmus eine quasi heilige Free Jazz Session zu praktizieren: eine Reverenz an die indigene Urbevölkerung Südafrikas. Garth Erasmus, der indigene Ahnen hat, sorgte mit selbstgebauten Instrumenten für Originalität. Und es entstand jener Flow, der den Reiz solcher Konzerte ausmacht.
Arnold Schölzel sprach zur Einführung. Am 10. Mai 1994 wurde Nelson Mandela in Südafrika Präsident. Dreißig Jahre ist das her, aber wirklich bewältigt sind viele aus der Kolonialzeit rührende Probleme im Land noch immer nicht. Und: Das Spirituelle, das in Südafrika eine große Rolle spielt, wurde im Versöhnungsprozess zu wenig berücksichtigt.
Dafür triumphiert es in der Musik. Garth Erasmus nennt das Motto: Es gehe um die »evidence of things unseen«, um das Zeugnis der unsichtbaren Dinge. Aberglaube und Besessenheitskult bleiben beim Jazz aber draußen. Die Liebe zur Natur hingegen, ein Gefühl für das Ursprüngliche und ein unmittelbares Miteinander prägen das Konzert.
»Ööööööööhm«
Pfeil und Bogen werden Musik. Mit dem Giftpfeil streicht Erasmus die metallene Saite – es ertönt ein Rhythmus. Schlagzeuger Peter Baxter rührt am Ride-Becken: Ein Klingklang, wie von einem Lufthauch getragen. Regentropfen kommen dazu, leise, dann lauter. Michel Chevalier, in Berlin lebender US-Amerikaner, schwebt dazu mit dem Saxophon ein. Seine drängende Melodie erhebt sich, wird von Ben Watson am Klavier mit feinen Anschlägen konterkariert. Fast flirten Sax und Piano miteinander – wie an einem trüben Morgen nach durchzechter Nacht.
Doch da erwacht das Schlagzeug: eruptiv. Die erste Feuerwolke steigt empor. Garth Erasmus, auf einem Gartenschlauch mit Mundstück und Tuba am Ende blasend, versucht zu löschen. »Öööhm«, der Pianist singt. Wogen und Wellen, ein impressionistisches Gerausche kommt vom Klavier. Bis die Tuba in der Wasserschüssel das Blubbern beginnt.
Eine Metallkette wird am Rand der Schüssel gerieben. Damit kommt das Element Metall ins Spiel. In der chinesischen Tradition ergänzt es die vier abendländischen Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde. Ein einziger Klang bleibt stehen, wie ein Baum, der einen Sturm überlebte. Bravo.
Ornithology
Das zweite Stück ist melancholischer. Der einsame Nashornvogel mit gelbem Schnabel, der in einer Zeichnung von Garth Erasmus dem Schatten einer Frau nachtrauert, hört zu. Peter Baxter bedient eine Art Hackbrett. Das Sax plärrt, der Pianist klatscht in die Hände. Wind und Erde scheinen zu streiten, der Wind zerstreut die trockene Krume.
Die Füße des Drummers in weinroten Samt-Loafern geben den neuen Takt an. Doch der Nashornvogel ist mit sich allein. Sara, die verlorene Geliebte, deren Name in der Ausstellung immer wieder auftaucht, ist vielleicht ein Symbol für die indigene Identität. Wie und wo soll sie heute leben? Im Flüsterton erzählen sich die Musiker Schreckliches, was ins Absurde kippt und als Scherz endet. Wow.
Ein drittes Stück animiert ein Kind zum Tanzen. Garth spielt das zweite Sax. Die Stimmung: munter-verliebt, als seien Himmel und Erde gut aufgelegt. Kein Sonnensturm in Sicht. Tränen der Rührung evoziert das Piano, ein sanftes Geschepper befreit den Drummer vom Leistungsdruck. Trommelwirbel leiten zu einer schwebenden Meditation.
Am Schluss wirbeln alle Wasser Südafrikas quirlig durch die Luft. Am Maletsunyane-Wasserfall bündeln sie sich, stürzen als Wassersäule hinab in die moosgrüne Schlucht des sommerlichen Abends.
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