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Aus: Ausgabe vom 16.05.2024, Seite 2 / Inland
Palästinasolidarität in Bonn

»Gegen das Camp soll Druck ausgeübt werden«

NRW: Palästinasolidarischer Protest an der Uni Bonn missfällt der Leitung und der Studierendenvertretung. Ein Gespräch mit Tair Borchardt
Interview: Annuschka Eckhardt
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Die Campierenden stellen sich auch an die Seite von Akademikern, die wegen ihrer Solidarität Repression erfahren mussten (Bonn, 9.5.2024)

Auch an der Universität Bonn protestieren Studierende gegen das Töten in Gaza. Inwiefern ist die Hochschule Komplizin bei einem Genozid, was Sie der Leitung ja vorwerfen?

Einmal dadurch, dass palästinasolidarische Gruppen hier Repression erfahren. Und dann durch Platforming von militarisierenden Vorträgen. So gab es im Januar ein Panel mit dem israelischen Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, veranstaltet vom Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies der Konrad-Adenauer-Stiftung zur »sicherheitspolitischen Zusammenarbeit«, zum Beispiel in Bezug auf Überwachungstechniken. Im März hielt hier die FDP-Waffenlieferungslobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann einen Vortrag. Die Uni hat sich zu einer Militärplattform gemacht und friedensorientierte Bewegungen unterbunden. Für uns ist die Uni ein politischer Ort, den wir der Waffenlobby nicht einfach so überlassen können und den wir uns jetzt zurückerobern müssen.

Vor rund einer Woche haben Sie ein Protestcamp aufgeschlagen. Wer ist daran beteiligt?

Das Protestcamp wurde initiiert von der Gruppe »Students for Palestine Bonn«. Wir haben uns mit anderen Gruppen in NRW vernetzt, mit dabei sind vor allem auch viele Studierende aus der Umgebung, aus Köln, Düsseldorf, Münster, Aachen und anderen Städten. Das Camp ist schnell gewachsen, mittlerweile stehen hier mehr als 40 Zelte.

Und wie reagiert die Universitätsleitung darauf?

Bisher noch gar nicht, obwohl wir ihr unsere Forderungen zukommen ließen. Sie hat allerdings insofern indirekt reagiert, als sie eine Veranstaltung mit der »Deutsch-Israelischen-Gesellschaft«, DIG, am Montag auf einen anderen Campus verlegte. Parallel demonstrierten »Students for Palestine«. Während der Veranstaltung ist es einigen Aktivistinnen und Aktivisten gelungen, drinnen ihre Ablehnung deutlich zu machen. Es ist wichtig, der Uni zu signalisieren, dass wir unsere Forderungen ernst meinen. So verlangen wir, keine Veranstaltungen mit Organisationen, die Lobbyarbeit für die israelische Regierung machen, auf dem Campus auszurichten. Im Januar hatte die DIG schließlich dazu aufgerufen, dem UN-Palästinahilfswerk UNRWA die Gelder zu entziehen. Das ist ein Aufruf zur weiteren Aushungerung der Bevölkerung in Gaza.

In Berlin wurden Protestcamps an Universitäten gewaltsam von der Polizei geräumt. Wie agiert sie in Bonn?

Die Polizei gibt uns unterschiedliche Signale. Wir erleben nicht so ein Riesenaufgebot, wie das in Berlin bisher aufgefahren wurde. Hier fährt die Polizei mehrmals am Tag Streife und kommt dann häufig wieder, um Anzeigen zu erstatten wegen Parolen. So hat die Veranstaltungsleitung vor ein paar Tagen eine Anzeige bekommen, weil »Deutschland finanziert, Israel bombardiert« gerufen wurde und wohl mehrere Zeugen gesagt haben sollen, es wäre »Israel bombardieren« gerufen worden. Das wäre ein Aufruf zu Hass und Gewalt. An ruhigeren Tagen kommen die auch nur morgens und abends vorbei und fragen, ob alles okay ist. Nachdem aber die Uni ihr Sicherheitsaufgebot und den Aufwand um die DIG am Montag so vermehren musste, haben wir am Dienstag weitere Repressionen und unangenehme Situationen erlebt. Das zeigte auch, dass die Uni sich vermehrt von uns gestört fühlt und Druck gegen das Camp ausgeübt werden soll.

Wie reagierten andere Studierende auf den Protest?

Die Studierendenvertretung folgt einer Erklärung, die sie »Bekenntnis gegen Antisemitismus« nennen. Das ist aber lediglich eine Inschutznahme des israelischen Staates, die Kritik an der rechten Regierung und Besatzung unmöglich macht. Und sie stellten sofort nach Aufbau unseres Camps einen Antrag, der vergangene Woche durchgeboxt wurde, und der besagt, dass das gesamte Studierendenparlament dieses Camp verurteilt. Wir seien alle antisemitisch und daher fordere man, für die Räumung des Camps zu sorgen. Aber so viel Macht hat das Studierendenparlament gar nicht. Dennoch befürchten palästinasolidarische Studierende ohne europäischen Pass Repression, die sie den Aufenthaltsstatus kosten könnte. Genauso wichtig ist aber auch, dass Studierende in privilegierten Positionen sich offen und kompromisslos einsetzen, anstatt in einer Art vorauseilendem Gehorsam sich so zu verhalten, als wären politisch motivierte Zwangsexmatrikulationen längst im Gesetz verankert. Das ist eben nicht so.

Tair Borchardt ist Studierende an der Universität Bonn, aktiv bei der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e. V. und bei »Students for Palestine Bonn«

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