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Aus: Ausgabe vom 15.05.2024, Seite 5 / Inland
Landwirtschaftspolitik

Alles Mist, alles Gülle

Stickstoffbelastung: Deutsche Umwelthilfe kritisiert aufgeweichte EU-Nitratrichtlinie. Novelle des Düngegesetzes gefordert
Von Oliver Rast
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Umweltpolitischer Brennvorgang. Und … wer wusste es nicht? Heu enthält viel Nitrat (Brüssel, 25.2.2024)

Sie sind überversorgt, gewissermaßen satt: mit Nährstoffen. Ganze Landstriche. Und das, was da so vor sich hin gärt – organischer Mist und Gülle etwa, aber auch mineralischer Dünger – können Böden und Gewässer nicht mehr aufnehmen. Zu viele Stickstoffe, Nitrate also, landen im Grundwasser, letztlich in der Nahrungskette. Diese Nährstoffüberversorgung (Eutrophierung) monieren Umweltverbände. Lange schon, in zweierlei Hinsicht.

Die EU-Kommission plant, die Nitratrichtlinie sprichwörtlich zu verwässern, wurde Sascha Müller-Kraenner am Dienstag in einer Mitteilung zitiert. Dadurch werde deutlich mehr Stickstoff pro Hektar (N/ha) und Jahr erlaubt und der Wasserschutz tangiert, so der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) weiter. Der Grenzwert liegt derzeit bei 170 Kilogramm N/ha. Müller-Kraenner: Gelten solle dies für Stickstoffdünger, »die aus behandeltem Viehdung bestehen, überwiegend aus der industriellen Massentierhaltung.« Damit dürften der DUH zufolge rund 60 Prozent mehr organische Nährstoffe ausgebracht werden, obwohl Böden und Grundwasser vielerorts bereits stark überdüngt sind.

Die EU-Kommissare rechtfertigen das so: »Ein breiterer Einsatz von organischen Düngemitteln und Nährstoffen aus recycelten Abfallströmen könnte die offene strategische Autonomie der Union und die Ernährungssicherheit stärken«, heißt es im Kommissionsentwurf zur Nitratrichtlinie, aus dem der Deutsche Naturschutzring (DNR) jüngst zitierte. Ein Entwurf, der indes nur bei gleichzeitigem Einhalten hoher Nachhaltigkeitsstandards umgesetzt würde. Das Europäische Umweltbüro (EEB) nannte den Entwurf zudem »in letzter Minute« einen »Rückschlag für den europäischen Green Deal« und postete auf X: Damit würde die Folgenabschätzung samt wissenschaftlicher Erkenntnisse ignoriert. Das heißt: »Die Zulassung von manipuliertem Dünger oberhalb der gesetzlichen Grenzwerte gefährdet den Wasserschutz.« Das sei kein Fortschritt, sondern ein großer Schritt weg von einer »wasserresistenten EU«.

Das ist aber nicht der einzige Streitpunkt. Die Ampelkoalition will das Düngegesetz novellieren, der Nährstoffeinsatz soll effizienter, sprich verringert werden, zuvorderst in hiesiger Landwirtschaft. Eigentlich. Das Problem: Die Gesetzesnovelle hängt seit mehr als einem halben Jahr in der Warteschleife, hatte die »Nitratinitiative«, bestehend aus mehreren Umweltverbänden, Ende April in einer Stellungnahme kritisiert. Dabei wäre die Gesetzesnovelle der erste Schritt seitens des Bundeskabinetts, um ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren inklusive Strafzahlungen in Millionenhöhe durch die EU-Kommission zu verhindern. Warum? Die BRD verstößt nämlich gegen EU-Grenzwerte; auch seit Jahren.

Was ist der Kern der Novelle? Ein Wirkungsmonitoring und eine Stoffstrombilanz. Ersteres bedeutet eine bundesweit einheitliche Methodik zur Ermittlung der Stickstoffbelastung in Boden und Wasser. Denn die Ausweisung belasteter »roter Gebiete« sei aufgrund zu weniger Messstellen zu weitflächig, nicht verursacher- und standortgerecht, bemängeln unter anderem die Freien Bauern. Beispiel Niedersachsen: Die Gebietskulisse beruhe großteils nicht auf realen Grundwasserbelastungen, »sondern auf fragwürdigen Rechenmodellen, nach denen es aufgrund der Bodenverhältnisse dort irgendwann möglicherweise zu Grundwasserbelastungen kommen kann«, so unlängst Christian Linne, Ackerbauer im Braunschweiger Land. Und statt die bekannten maroden Messstellen zu erneuern und neue Standorte zu errichten, würden stumpf Vorgaben umgesetzt. Ein Fehler. Mit mehr Messstellen, mit mehr Standorten ließen sich die tatsächlichen Stickstoffflüsse eines Landwirtschaftsbetriebs oder einer Biogasanlage detailliert erfassen, eben mittels Stoffstrombilanz.

Bleibt die Frage, wer blockiert in der Ampel die Novelle? Wohl die FDP. Die befürchtet Extrabürokratie. Monitoring und Bilanzierung führten dazu, dass Landwirte noch mehr Zeit im Büro statt auf dem Acker verbrächten. Fazit: Der Zoff um Mist und Gülle ist alt – und bleibt.

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