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Aus: Ausgabe vom 15.05.2024, Seite 4 / Inland
Repression gegen Alternativmedien

Griff nach Daten in letzter Minute

Fall Radio Dreyeckland: Staatsanwaltschaft will Handy und Laptop von Journalist durchforsten
Von Detlef Georgia Schulze
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Unterstützer des Senders haben nahe dem Karlsruher Landgericht einen Stand aufgebaut (18.4.2024)

In Karlsruhe steht zur Zeit ein Journalist des freien Freiburger Hörfunksenders Radio ­Dreyeckland vor Gericht, weil er in einem Onlinebericht einen Link gesetzt hatte. Dadurch soll Fabian K. einen verbotenen »Verein« unterstützt haben. Am Dienstag hat die Schlussrunde der Beweisaufnahme mit der Möglichkeit begonnen, quasi »last minute« neue Beweisanträge zu stellen. Davon machte die Staatsanwaltschaft sogleich Gebrauch. Sie ist der Ansicht, dass K. seit 2010 Kontakte zur autonomen Szene im Allgemeinen bzw. insbesondere zur Autonomen Antifa Freiburg habe. Deshalb sei es wahrscheinlich, dass sich auf K.s Mobiltelefon und Computer Daten finden lassen, die den Fortbestand des angeblich unterstützten Vereins beweisen.

Die Bundesregierung hatte 2017 den damaligen Betreiberkreis des Portals linksunten.indymedia.org kurzerhand zu einem Verein erklärt und sogleich verboten. Die Plattform erlaubte es, anonym Beiträge zu veröffentlichen, was unter anderem für gezeichnete oder auch nicht gezeichnete Bekennerschreiben beispielsweise nach Sachbeschädigungen genutzt worden war.

K.s Anwältin wandte ein, dass bisher völlig unklar sei, wer für den laufenden Betrieb der Webseite bis 2017 und wer für das Archiv mit deren Inhalten, das seit 2020 online gestellt wurde, die Verantwortung trägt. Bei diesem Stand der Dinge sei der Antrag kein präziser Beweis-, sondern bloß ein vager Beweisermittlungsantrag. Außerdem interpretiere die Staatsanwaltschaft Mehrdeutiges prinzipiell zu Lasten des Beschuldigten bzw. zugunsten der Auffindbarkeit von Beweisen. Dabei gebiete laut Verteidigerin die Pressefreiheit, von den für K. günstigeren Szenarien auszugehen.

Die Strafkammer kündigte an, dass sie nicht in der Lage sei, über den Beweisantrag bis zum ursprünglich für Donnerstag vorgesehenen nächsten Verhandlungstag zu entscheiden. Offen blieb, ob der Termin ausfällt oder mit anderen Themen gefüllt wird. Das soll an diesem Mittwoch mitgeteilt werden. Bereits am vergangenen Verhandlungstag hatte die Staatsanwaltschaft angeregt, doch noch Handydaten auszuwerten, die im Nachgang zu Haussuchungen am Beginn des vergangenen Jahres gespiegelt worden waren. Vorab war bekanntgeworden, dass die Landgerichtskammer die Anregung nicht aufgreifen wollte. Das Redaktionsgeheimnis hält sie vermutlich für gewichtiger als die vage Aussicht, in den Daten Beweise für den Fortbestand des angeblich unterstützten Vereins zu finden.

Radio Dreyeckland hatte am 2. Mai berichtet, dass der Staatsanwalt weitere Beiträge beim Sender gesammelt habe, »die eine Verlinkung auf linksunten.indymedia enthielten«. Anfragen von junge Welt bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, unter anderem dazu, ob die Behörde weitere Ermittlungsverfahren eingeleitet und Durchsuchungsbeschlüsse beantragt hat, um zu ermitteln, welche Personen diese weiteren Artikel geschrieben haben sollen, blieben bislang unbeantwortet. Auf Nachfrage hieß es: »Aufgrund einer extrem angespannten Personalsituation infolge mehrerer langfristiger personeller Ausfälle« werde die Bearbeitung der Anfragen mehr Zeit in Anspruch nehmen. So lässt sich derzeit nicht ausschließen, dass weitere Durchsuchungen gegen den freien Sender Radio Dreyeckland und gegen dessen Journalisten vorbereitet werden.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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