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Aus: Ausgabe vom 11.05.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Mittlerweile normal

Zu jW vom 4./5.5.: »Das Lachen nicht verlernen«

Die traurigste Information an Wenzels Brief war für mich, dass die Auftrittsverbote aus Leipzig kamen. Ist doch normal, könnte nun mancher sagen, ja, und ich sag das mittlerweile auch. Diese meine Unistadt – Karl-Marx-Uni natürlich – die sich nun so gerne Heldenstadt nennt, hat ihre »Revolution« offensichtlich vergessen oder immer schon anders verstanden, als ich es erhoffte.

Was Wenzel auf unserer Rosa-Luxemburg-Konferenz gesungen und gesagt hat, weiß ich sehr gut. Ich habe ihn dort anmoderiert. Was er nun geschrieben hat, entspricht in Aussage und Haltung genau dem, was er uns auf der Bühne gab. Wenzel hat einen klugen, wichtigen und auch schönen Brief geschrieben, und die Adressaten sollten stolz sein, von ihm in dieser Weise erwähnt worden zu sein. Bei wem wollten sie sich mit diesem Verbot anbiedern? Bei denen, die uns die Kriegsmüdigkeit übelnehmen, die nicht genug Gelder vom Bau von Krankenhäusern und Schulen, von der Unterstützung der immer ärmer werdenden Kinder in unserem Lande abziehen können, zum Verschenken von immer gefährlicheren und teureren Waffen an Kriegsführer, die uns jedes Mitleiden mit den in Gaza durch Bomben und Hunger Getöteten als »Judenhass« auslegen? Sich auf deren Seite zu stellen, ist nicht nur provinzlerisch dumm, sondern lebensgefährlich für uns alle. Wenzel sei Dank, dass er mit seiner Kunst auf der anderen Seite steht.

Gina Pietsch, per E-Mail

Keine Worthülsen

Zu jW vom 4./5.5.: »Das Lachen nicht verlernen«

Bravo, Herr Wenzel! Besser kann man es nicht in Worte fassen. Sie sprechen aus, also schreiben auf, was viele Menschen denken. Es ist ein Graus zuzusehen und zuzuhören, was sich in Deutschland gerade vor unser aller Augen abspielt. Es macht mich wütend und traurig zugleich. Die Leute, die vorgeben für Gleichheit, Gerechtigkeit und Toleranz zu kämpfen, schwingen sich zu Richtern über alles und jeden auf und sind Moralapostel mit einem derart eingeschränkten Horizont, dass einem Angst und Bange wird. Vielen Dank an die junge Welt, die Wenzels offenen Brief veröffentlicht hat, auch wenn mir in den letzten 20 Jahren nicht alle Artikel gefallen haben, nicht jede Kurve geschmeckt hat, die Ihr inhaltlich genommen habt. Wenn es jetzt nicht gelingt, dass sich vernünftige, wahrhaft tolerante, kluge und streitbare Geister in dieser Republik zusammentun, dann bangt mir vor der Zukunft. Auf ein offenes, freies, versöhnliches und lachendes Leben, keine Worthülsen und Gesinnungspolizisten!

Sabine Puls, Alt Schönau

Verantwortung

Zu jW vom 4./5.5.: »Dialog ist nicht alles«

(…) Wir waren 1991 mit unseren Kindern im KZ Buchenwald, um ihnen die Verbrechen der Faschisten zu zeigen. Schon damals waren die Darstellungen und Beschreibungen dazu sehr verharmlost gegenüber der Ausstellung von 1968. Wir waren erschrocken, denn von Mahnung war nur noch wenig geblieben. Wo ist 2023 die Verantwortung für die historisch bewiesenen Greueltaten und Menschenrechtsverletzungen geblieben? Wundert sich etwa noch jemand, wenn sich Bürger ganz leicht nach rechts verbiegen lassen? Wacht auf, Verdammte dieser Erde! Bitte.

Ilona Albrecht, Grünheide

Bildung ohne Erziehung

Zu jW vom 4./5.5.: »Dialog ist nicht alles«

Buchenwald ist das Golgotha Weimars. Ein Ort des Todes und des Neuanfangs. Friedrich Nietzsches Gedanken von der Umwertung aller Werte und dem Willen zur Macht haben sich hier mehrfach erfüllt. Wer wissen will, welche Werte heute gelten, dem sei ein Besuch der Gedenkstätte Buchenwald empfohlen. Das fängt schon auf der Autobahn an. Wer sich Weimar von Westen nähert, erfährt auf einem braunen Hinweisschild, dass die ehemalige Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald heute nur noch eine Gedenkstätte ist. Die von der DDR errichtete Mahnstätte war bei meinem letzten Besuch sehr gepflegt, aber ich hatte den Eindruck, dass man sie heute am liebsten verhüllen würde. Am Lagertor des Konzentrationslagers Buchenwald fragte ich einen Mitarbeiter, wo denn der Bunker sei. Die Antwort war: Hier gibt es keinen Bunker. Der Mann war sehr freundlich, aber wahrscheinlich nicht sehr sachkundig. Vielleicht war er ein schlecht bezahlter Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma. Vielleicht muss sich im Kapitalismus auch ein ehemaliges Konzentrationslager rechnen. Vielleicht haben sich das die Verantwortlichen in der DDR nicht getraut. Beim Gang über das Lagergelände, sind mir junge Menschen aufgefallen, vielleicht eine Schulklasse, die sich meiner Meinung nach an diesem Ort nicht angemessen verhalten haben. Vielleicht kommen sie später einmal in den Genuss von Achtsamkeitsseminaren, deren Anbieter glauben, die Defizite des bundesdeutschen Bildungssystems ausgleichen zu können. Die grausamen Exponate aus der DDR sind heute verschwunden. Laut einer Mitarbeiterin der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora handelt es sich zum Teil um Fälschungen, wie zum Beispiel Lampenschirme aus Menschenhaut. Bei meinem Besuch 2016 waren einige Bilder von Häftlingen zu sehen. Alles wirkte weniger grausam als zu DDR-Zeiten. Vielleicht ist ein Bildungssystem, das nicht mehr erzieht, die Voraussetzung für eine Gedenkstätte, die nicht mehr mahnt.

Andreas Prange, Weimar

Vergessene Schriftstellerin

Zu jW vom 6.5.: »Schiffbruch in der Moderne«

Eine schöne Überraschung am Montag morgen, endlich mal wieder etwas über Irmtraud Morgner zu lesen. Denn die Schriftstellerinnen der DDR scheinen in Vergessenheit zu geraten, wenn man mal von Christa Wolf und Brigitte Reimann absieht, deren Werke gerade jetzt wieder neu aufgelegt werden. Aber Irmtraud Morgner scheint nicht mehr im Fokus zu stehen, was ich sehr bedauere, denn auch sie war auf der Suche nach einer Utopie und wollte sich nicht in ein Raster sozialistischer Norm- und Moralvorstellungen pressen lassen. In Chemnitz veranstaltet die Lila Villa Projekte zur Ehrung der Chemnitzer Schriftstellerin Irmtraud Morgner (irmtraud-morgner.de).

Margret Hövermann-Mittelhaus, Berlin

Wenzel hat einen klugen, wichtigen und auch schönen Brief geschrieben, und die Adressaten sollten stolz sein, von ihm in dieser Weise erwähnt worden zu sein.

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