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Aus: Ausgabe vom 11.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Von hinten aufgezäumt

Entwicklungsministerin lässt Geld in Kiew
Von Reinhard Lauterbach
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Auf der Suche nach Gesprächspartnern: Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Kiew (9.5.2024)

Es wäre lächerlich, wenn es nicht einen so ernsten Hintergrund hätte und nicht der deutsche Steuerzahler für so vieles davon bezahlen müsste: der am Donnerstag begonnene Propagandabesuch von Entwicklungsministerin Svenja Schulze in Kiew. Kaum war sie da, musste sie feststellen, dass ihr ukrainischer Gesprächspartner, Wiederaufbauminister Oleksander Kubrakow, gerade eben vom Parlament entlassen worden war. Offizielle Begründungen dafür gab es nicht, aber am selben Tag wurde auch Kubrakows Kabinettskollege im Landwirtschaftsressort, Mykola Solskyj, gefeuert – wegen des Verdachts, sich am Verkauf staatlichen Ackerlands bereichert zu haben. Das Gespenst der Korruption, gegen die Kubrakow laut Schulze so wacker gekämpft haben soll, geht also weiter um in Kiew. Gegen Kubrakow gab es in den letzten Monaten Vorwürfe, er habe nicht genug Geld für die regionale Entwicklung lockergemacht – im ukrainischen Kontext bedeutet das im Klartext, er habe den regionalen Eliten nicht genug Stoff zur eigenen Bereicherung durchgereicht.

Da stand Schulze dann in Kiew wie bestellt und nicht abgeholt – und mit einer vom scheidenden Kubrakow geschenkten Kette mit Friedenstaube um den Hals. Es blieb ihr nichts übrig, als einen Zuschussbescheid über 45 Millionen Euro von der Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW) für das ukrainische Energienetz dazulassen. Auch in Berlin glaubt offenbar niemand mehr daran, dass Kiew irgendeinen Euro wird zurückzahlen können. Ist der Bundesregierung offenbar auch egal. Zumal es auf der Hand liegt, dass eine Reparatur des Stromnetzes aktuell nicht der Beleuchtung von Wohnungen dient, sondern der ukrainischen Kriegsanstrengung. Ohne Strom dreht sich keine Drehbank und kein Radarschirm, fährt keine Lokomotive Granaten an die Front. Schulze weiß das: Russland dürfe den Krieg um die ukrainische Energieversorgung nicht gewinnen, sagte sie. Dummerweise gilt auch: Ein weiterer russischer Raketenschlag auf die mit KfW-Geld frisch reparierten Stromnetze, und die 45 Millionen sind weg. Ohne vorherigen Waffenstillstand ist Schulzes Geld buchstäblich auf den Kopf gehauen.

Aber die Bundesregierung setzt andere Prioritäten. Am selben Tag, an dem Schulze ihren Scheck in Kiew aus der Handtasche zog, legte ihr Kabinettskollege Boris Pistorius in Washington einen »höheren zweistelligen Millionenbetrag« für Munition für die US-Raketenwerfer »Himars« auf den Tisch – eine Angriffswaffe. Aus Liebe zur Ukraine und ihrem »Freiheitskampf« rücken die USA nichts mehr raus.

Derweilen tat Wolodimir Selenskij das, was er am besten kann: theatralisch daherreden. Die Ukraine habe »verdient«, schleunigst in die EU aufgenommen zu werden. Dies nutze auch der EU, und zwar nicht nur geopolitisch. Sondern? Wirtschaftlich etwa? Milliarden in Fässer ohne Boden zu kippen, das kann »Europa« auch so.

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  • Leserbrief von Roland Winkler aus Aue (13. Mai 2024 um 12:20 Uhr)
    Was will eine deutsche Entwicklungsministerin in der Ukraine entwickeln, helfen, fördern? Entwicklungshilfe des Westens hat und hatte nie mit Hilfe für rückständige, arme und schwache Länder zu tun. Westliche Entwicklungshilfe hat zu jeder Zeit so ausgesehen, dass für einen Euro »Hilfe« drei, vier und mehr Euro Profit aus den Ländern gesogen wurden. Kapital – Krise – Krieg, in diesem Rahmen bewegt sich globaler Kapitalismus mehr denn je. Was ist es für eine Hilfe, wenn eine deutsche Entwicklungsministerin einem Scheck von 45 Millionen Euro für den Wiederaufbau des Landes mitbringt und zugleich alle Mittel und Millionen zur Zerstörung des Landes bereitgestellt werden? Die Logik kann nur verstehen, wer die Bewegung des Kapitals, sein Grundgesetz verstanden hat. Was ist profitträchtiger als Krieg? Krieg und Vernichtung von Kapital führt mehr oder weniger aus Krisen heraus, schafft Bedarf und neu Anlagemöglichkeiten für Kapital, nur für Wiederaufbau. Eine Logik reinsten Irrsinns, die sich allen an sich leicht erschließen sollten. Es liegt heute mehr als 2022 auf der Hand, wer den Krieg immer wollte und wem er auch nicht lange genug gehen kann.
    »Der Krieg steht in keinem Widerspruch zu den Grundlagen des Privateigentums, er stellt vielmehr eine direkte und unvermeidliche Entwicklung dieser Grundlagen dar. Unter dem Kapitalismus ist ein gleichmäßiges Wachstum in der ökonomischen Entwicklung einzelner Wirtschaften und einzelner Staaten unmöglich. Unter dem Kapitalismus gibt es keine anderen Mittel, das gestörte Gleichgewicht von Zeit zu Zeit wiederherzustellen, als Krisen in der Industrie und Kriege in der Politik.« Lenin
    Wir haben die Antworten, Lösungen und lassen uns noch immer Krieg, Konkurrenz, Krisen, Kapital in moralischen Hüllen vorführen.
    »Wenn Sie einmal sehen wollen, welcher Anstrenguungen es tatsächlich bedarf, um die Wirtschaft aus einer Schuldenfalle zu befreien, dann betrachten Sie das massive öffentliche Beschäftigungsprogramm, das die Große Depression beendete, besser bekannt unter dem Begriff Zweiter Weltkrieg«, schrieb Paul Krugmann, US-Ökonom.
    Die Frage ist, was bleibt, wenn enthemmte, blinde und dumme Kriegstreiber den Weltkrieg riskieren?
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (11. Mai 2024 um 15:31 Uhr)
    Trotz der kontinuierlichen Verarmung Deutschlands seit der Finanzkrise hält seine Bundesregierung nach außen hin immer noch an großzügigen Spendenausgaben fest. Dies wirft jedoch Zweifel auf meine selbst entwickelte These, dass Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nicht vollständig souverän ist. Unsere Regierung scheut sich sogar davor, gegen diejenigen vorzugehen, die ihre Gas-Pipeline-Investitionen sabotierten. Währenddessen sinkt der Lebensstandard im Land spürbar und offensichtlich. Dennoch beschließt Entwicklungsministerin Schulze, 45 Millionen Euro aus der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Fonds für das ukrainische Energienetz zu spenden – ein Land, das von Krieg und Korruption geplagt ist. Gleichzeitig stimmt ihr Kabinettskollege Boris Pistorius in Washington zu, einen »höheren zweistelligen Millionenbetrag« für Munition für die US-Raketenwerfer »Himars« ebenfalls als Spende für die Ukraine bereitzustellen. Ukrainische Flüchtlinge, die sich in Deutschland aufhalten, genießen die gleichen sozialen Rechte wie die meisten deutschen Staatsbürger. Darüber hinaus werden sie im Gesundheitswesen wie privilegierte Privatpatienten behandelt. Dennoch hört man Politiker und Medien im Chor darüber klagen, warum die AfD immer mehr Stimmen gewinnt. Es ist bedauerlich, dass sowohl die deutsche Politik als auch die Medien weiterhin denselben Kurs als den richtigen propagieren, obwohl klar ist, dass dies letztendlich in die Misere der EU führt.

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