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Aus: Ausgabe vom 07.05.2024, Seite 8 / Ansichten

Vaterlandslose des Tages: Berlin

Von Felix Bartels
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Auch nicht ganz korrekt beflaggt: Das Rote Rathaus

Und was willst du mal werden, wenn du groß bist? – Staatsbürger.

Man versteht ja manches, das man nicht versteht. Klebeflächen für Kaugummis an Haltestellen, Frisiersalons für Hunde, Schals mit politischen Botschaften. Ein jeder blamiert sich, so gut er kann. Nichts dagegen. Wozu allerdings frühvergreiste Teenager gut sind, muss noch ermittelt werden. In einem Berliner Bezirk hat ein Gymnasiast sich zur Aufgabe gemacht, Beflaggungen vor amtlichen Gebäuden durchzusetzen. Nach der Ordnung des Landes Berlin ist das für 13 Tage im Jahr vorgeschrieben, woran sich nicht jeder hält.

»Damit erreichen wir viele Menschen, eine Flagge hat Symbolkraft«, begründet der Schüler seine Initiative einem Bericht von Bild zufolge. Verstört weist das Blatt auf die Missstände in der moralisch verlotterten Hauptstadt hin: Bislang hängen an vielen Gebäuden »nur Fantasieflaggen aus dem Kunstkurs im Wind«. Kreativität statt Patriotismus – alles geht den Bach runter.

Bild weiß auch, um welche Tage es sich handelt. Den 3. Oktober zum Beispiel, den man als »Tag der deutschen Einheit« feiert. Den 1. Mai nennt die Zeitung historisch falsch, doch wenigstens amtlich korrekt »Tag der Arbeit«. Beim 8. Mai nimmt sie sich dann aber die Freiheit, auf den amtlich korrekten Namen »Tag der Befreiung« zu verzichten, er heißt dort »Kriegsende«.

Schützenhilfe erhält der Schüler nicht nur aus Springers Buchte, auch die CDU ist mittenmang. In Form von Lars Bocian: »Die Flaggen repräsentieren unsere Werte und den gemeinsamen Willen zur Demokratie, zur Zusammenarbeit in Europa und das Bekenntnis zum Grundgesetz. Gerade in Zeiten von Krieg und Aggression und dem Erstarken rechter Parteien in Europa ist dieses Zeichen für unsere Demokratie wichtig.«

Vermutlich, weil patriotische Flaggen sich als brauchbares Mittel gegen rechtes Denken und Kriegslust erwiesen haben.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren. Denn nicht allen lernen die junge Welt kennen, da durch die Beobachtung die Werbung eingeschränkt wird.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (6. Mai 2024 um 20:43 Uhr)
    Insbesondere die Reichskriegsflagge würde »sich als brauchbares Mittel gegen rechtes Denken und Kriegslust« eignen. »Im März 2021 sprachen sich Vertreter des Bundesinnenministeriums und Bundesjustizministeriums dagegen aus, das Zeigen von Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen durch das Strafrecht zu verbieten.« (https://de.wikipedia.org/wiki/Reichskriegsflagge) Vorsicht: Zitat gemäß Muster der Emser Depesche!

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