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Aus: Ausgabe vom 03.05.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Staatsfeind Fußballfan

Frage der Trikotfarbe

Linzer ASK: Fanprotest gegen Sponsor und Klubpolitik. Bosse reagieren mit Hausverboten, Kurve kontert mit Stimmungsboykott
Von Oliver Rast
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Wandtapete mit Reim: Finanziers haben wenig Sinn für Vereinsgeschichte (Graz, 7.4.2024)

Sie haben etwas ausgeheckt, in Kreativrunden samt Bastelstunden. Eine Art Performance, für Sonntag, den 7. April. Gegen 14.40 Uhr ist es dann so weit: In Kopfhöhe quer vor den ersten Reihen des Auswärtssektors spannen Ultras eine Leine. Mittig darüber schwebt eine überdimensionale Waschmaschine, Typ Frontlader, aus bemalter Pappe. Darunter ein meterlanges, blütenweißes Banner mit pechschwarzem Schriftzug: »Best Wäsch Technology«. Eifrige Hände stopfen nun einen pinkfarbenen Trikotsatz in die Innentrommel. Ein Schonwaschgang wird das nicht. Eher Kochwäsche, 90 Grad mit kräftigem Schleudern. Das volle Programm.

Die österreichische Bundesligapartie im Liebenauer Stadion zwischen Sturm Graz und dem Linzer ASK (LASK) läuft längst. Die Gastgeber aus der Steiermark und die Gäste aus Oberösterreich kicken in der Play-off-Gruppe A. Sturm ist auf Meisterschaftskurs, der LASK will Rang drei sichern. Aber die Show an diesem Spieltag macht das Bühnenkollektiv der Auswärtsfahrer.

Das Ergebnis: Farbwechsel, das Pinke ist aus dem Textil gespült. Statt dessen holen wiederum eifrige Hände schwarz-rot längs gestreifte Sportdresse aus der Wäschetrommel. Fein säuberlich werden sie an die Leine gehängt. LASK-Fans werfen dazu Waschtabs auf das Spielfeld vor die Eckfahne. Der Unparteiische unterbricht, eine provozierte Extrapause. Ordner hasten auf den Rasen, räumen die Tabs für die Einspülkammer vom Feld. Nach drei, vier Minuten geht es weiter. Wenige Augenblicke vor der Auszeit ging Graz mit 1:0 in Führung. Ein Treffer, der später zum Sieg reichen sollte.

Passend zum Farbwechsel der Bannertausch – darauf steht nun: »Dressen nur in den Farben, die uns unsere Gründerväter gaben.« Für die aktive Fanszene ist das wichtig: schwarz-weißes Jersey in Längsstreifen bei Heim-, die schwarz-rote Variante etwa bei Auswärtsauftritten. Das ist Vereinstradition, das ist Vereinsidentität, wie Christian Waldhör, Sprecher der »Initiative Schwarz-Weiss« (ISW), im jW-Gespräch erklärt. Und damit spielt man nicht. Falls doch, dann unter Protest aus der Kurve.

Nur, wer ist verantwortlich für die rosa Shirts, die LASK-Kicker ab und an in der Fremde überstreifen? Der Sponsor BWT. Ein Hersteller von Systemen zur Wasseraufbereitung aus der Gemeinde Mondsee im Salzkammergut. BWT ist seit Jahren nicht nur beim LASK engagiert, ferner auch im Skisport und bei der Formel 1. Der Reklamespruch auf der Firmenhomepage lautet: »Pink: das neue Markenzeichen internationaler Sporthighlights«. Die Fans lehnen Pink nicht ab, weil es pink ist. Gelbe Trikotärmel mit schwarzem Giebelkreuz der Raiffeisenbank stehen bei ihnen gleichfalls auf dem Index; das Logo des Geldgebers, nach dem die Heimstätte benannt ist.

Was halten Klubbosse von der Farbenlehre der Fans? Nicht viel; zumal der Athletiksportklub kein Mitgliederverein ist. Die Geschicke bestimmt die LASK-GmbH um CEO Siegmund Gruber. Und der reagierte nach dem Vorfall in Graz harsch, sprach sechs Haus- und Stadionverbote aus. Umgehend, unbefristet. Wohl auch, weil am späten Abend nach dem Spieltag ausrangierte Waschmaschinen auf dem Parkplatz zum LASK-Stadion abgestellt worden waren. Per Spruchband adressiert an den Geschäftsführer: »Sigi wasch dein Gewissen rein – Tradition vor Euroschein!«

Wer sind die Stadionverbotler? Personen aus dem Vereinsregister des Fandachverbands »Landstrassler« und ISW-Sprecher Waldhör. »Willkürlich, absurd«, seien die Sanktionen, so Fans in Statements. Beispiel: Waldhör soll einer der Werfer von Waschtabs gewesen sein. Was nachweislich falsch ist. Dennoch behauptete dies die LASK GmbH im Verbotsschreiben. Ferner sei die Spielunterbrechung ein Verstoß gegen die Stadionverbotsordnung des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB) und Berichte über den Fanprotest auf der ISW-Homepage ein Aktionsbekenntnis. »Landstrassler« konterten und erklärten, vereinsinterne Repressalien blieben nicht unbeantwortet. Folge: kein organisierter Support bei Heimkicks mehr, Stimmungsboykott. Solange, bis Verbote bedingungslos aufgehoben, Gespräche mit Klubchefs aufgenommen worden seien. Die LASK GmbH äußerte sich hierzu nicht gegenüber jW.

Bemerkenswert: Die Protestierer bekamen viel Solidarität von Supportern anderer Vereine. Und nicht zuletzt war das Medienecho auf den Fanprotest enorm. Gruber und Co. gerieten unter Druck. Nach zwei stimmungslosen Ligaspielen im heimischen Rund die Kehrtwende, kurz vor dem Kick gegen den Erzrivalen Rapid Wien am 28. April. Ende der Hausverbote, Beginn des Dialogs, verkündete die Vereinsspitze. Daraufhin aktivierten »Landstrassler« wieder Chor und Choreo. Aber: Der Protest aus der Kreativabteilung gegen Trikots in Sponsorenfarben und Investoreneinfluss bleibt, versicherte das Fanaktiv.

Hintergrund: Support vereinsübergreifend

Spieler in österreichischen Ligen wirken bisweilen wie wandelnde Litfaßsäulen. Kaum ein Flecken auf dem Trikot ohne Werbelogo, ohne Sponsorenemblem. Selbst Hosen und Stutzen zieren Firmenetiketten. Klubwappen und Vereinsname versinken hinter der Textilreklame. Aktive Fans monieren das seit Jahren. Nun folgt abermals auf Frust Protest – etwa beim Linzer ASK, dem »bourgeoisen Lackschuhverein«.

Was LASK-Ultras besonders stört: Investoren nehmen zu viel Einfluss auf die Klubpolitik, auch auf die Trikotfarbe. Pinke Dresse, gelbe Jerseyärmel sind weit mehr als nur Symbolik, sie konterkarieren Tradition und Identität. Allemal beim LASK, der von einer GmbH geführt wird. Mitgliederrechte? Unbekannt, weitgehend zumindest.

Aber: Hat sich LASK-GmbH-CEO Siegmund Gruber verzockt? Womöglich. Haus- und Stadionverbote gegen Protagonisten aus der Fanszene verstärkten eines: den Protest; der eigenen Fanklientel und vereinsübergreifend. »Freiheit für alle Landstrassler!« hieß es auf einer Wandtapete bei der Anhängerschar des Zweitligisten FC Admira Wacker Mödling. Oder »Solidarität für Landstrassler. Gegen Stadionverbote!« beim LASKer Ligakonkurrenten TSV Hartberg. Und »freie Meinungsäußerung endet, wo Sigis rosa Traum beginnt« stand in großen Lettern in der Ostkurve bei den Schweizern von Young Boys Bern. Willkür und Repressalien von Klubbossen rückten in den Fokus österreichischer Medien. Nicht gut fürs Image.

Meinungsstark ist ein Beitrag des Grazer Fanforums »Sturmnetz«. Der »hyperkapitalistische« Profifußball drohe zum »Wettbewerb der reinen Kommerzvereine« zu verkommen, Fans würden »zum zahlungswilligen Beiwagerl degradiert«. Positiv: Eine Gegenbewegung in den Kurven rührt sich, über Klubgrenzen hinweg. (or)

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