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Aus: Ausgabe vom 03.05.2024, Seite 2 / Inland
Tesla-Werk in Grünheide

»Musk steht für den fossilen Kapitalismus«

Brandenburg: Aktionstage ab 8. Mai gegen »Gigafactory« von E-Autokonzern Tesla angekündigt. Ein Gespräch mit Lucia Mende
Interview: Gitta Düperthal
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Der Setzling im Getriebe: Über dem Camp der Initiative »Tesla stoppen« hängt das Banner des antikapitalistischen »Disrupt«-Bündnisses (Grünheide, 16.3.2024)

Für die Zeit vom 8. bis 12. Mai hat »Disrupt Tesla« Aktionstage angekündigt. Sie rufen auf, ins brandenburgische Grünheide bei Berlin zu kommen, um dort die »Gigafactory« des US-Autoproduzenten Tesla zu blockieren. Auch Konzernchef Elon Musk soll bei seinem Besuch gestört werden. Nach eigenen Angaben will er dort Elektrofahrzeuge, Solaranlagen und nachhaltige Energie herstellen. Was läuft aus Ihrer Sicht falsch?

Der Konzern Tesla hat überhaupt kein Interesse daran, unsere Lebensgrundlagen solidarisch zu verwalten, verkauft aber den Mythos der grünen E-Energie, als wäre das Unternehmen gut für die Umwelt. Das Gegenteil ist der Fall. Musk nimmt die Zerstörung von Lebensräumen in Kauf, wenn er so mehr Profit machen kann. Durch den Abbau des Rohstoffes Lithium werden weltweit Wasservorkommen und ganze Gemeinschaften bedroht, vor allem in Chile, Argentinien und Bolivien.

Am Konzernsitz Grünheide ist die Grundwasserversorgung von etwa einer halben Million Menschen in Berlin und in Brandenburg in Gefahr. Dafür sind die brandenburgische Landesregierung, eine Koalition aus SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen, sowie der Konzernboss Musk verantwortlich. Wir ordnen uns mit unserer Aktion in eine Tradition bewahrender Umweltbewegungen ein, wie Blockaden von Castortransporten. Wir rufen auf, am 8. Mai nach Grünheide zum »Wasser, Wald, Gerechtigkeit«-Camp zu kommen.

Was wollen Sie mit der Aktion bewirken?

Wir zeigen, dass der Bau einer Elektroautofabrik eine Politik von gestern darstellt. Damit die Erde langfristig unser Zuhause bleibt, muss das Werk kreativ neu gestaltet werden. Zunächst gilt es, die Fabrik zu stoppen. Ob dann dort künftig Busse oder Lastenräder gebaut werden, muss gemeinsam entschieden werden. Wir haben bundesweit und international mobilisiert und erwarten eine vierstellige Zahl von Aktivistinnen und Aktivisten. Schließlich betreffen die Autoindustrie und die Klimafolgen alle Menschen weltweit. Wir werden es deshalb nicht bei Tesla belassen, sondern weitere Fabriken stoppen.

Arbeiterinnen und Arbeiter bei Tesla sowie deren Gewerkschaft IG Metall empören sich wegen mieser Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung des Unternehmens. Suchen Sie mit ihnen Kontakt?

Ja. Bekanntlich steht die Gesundheit der Mitarbeiter nicht an erster Stelle. Sicherheitsvorkehrungen sind miserabel. Teilweise sollen Arbeitsunfälle nicht gemeldet worden sein. Nach Berichten soll Schutzkleidung nur im Fall einer behördlichen Inspektion getragen und danach wieder beiseitegelassen worden sein. Arbeiterinnen und Arbeiter entlang der Lieferketten solcher Konzerne sind immer zuerst die Leidtragenden. Es wäre für alle Beteiligten besser, wenn die Arbeitsbedingungen gerechter gestaltet werden. Für sie muss es einen Spurwechsel geben, hin zur Gestaltung von neuen Tätigkeiten. Alles richtet sich nach aktuellem Aktienkurs. Der Tesla-Konzern betreibt Stellenabbau. Wir fordern staatliche Zuschläge an solche Unternehmen zu streichen, statt dessen in zuverlässigen, kostenlosen Nah- und Fernverkehr zu investieren.

Und wen sehen Sie politisch in der Verantwortung für diese Missstände?

Brandenburgs Landesregierung hat den Konzern in Grünheide ständig ohne Genehmigung bauen lassen: auf Kosten von Mensch und Natur. Die Bundesregierung trägt auch Mitverantwortung, da sie weiter in die Produktion von Elektroautos, Ladeinfrastruktur und den Bau von Autobahnen investiert.

Was folgt daraus für »Disrupt Tesla«?

Weil wir eine Verkehrswende brauchen, werden wir uns dem Konzern und der Landesregierung auf bunte, kreative Art in den Weg stellen. Musk steht für ein System des fossilen Kapitalismus, Faschismus, Nationalismus, Rassismus und vielen anderen Unterdrückungsformen. Dies findet nicht nur im Konzern Tesla, sondern auch auf der von ihm erworbenen Plattform X Ausdruck, die immer mehr zu rechtsradikaler Infrastruktur wird. Kapitalismus ist mit Kolonialismus und der Klimakrise verquickt. Wir bekämpfen diese Herrschaftsformen, aus denen die Zerstörung von Mensch und Natur erfolgt: Jeden Tag zerstört die kapitalistische Wirtschaftsordnung ein Stück unserer Lebensgrundlagen. Die sogenannte grüne E-Mobilität ist da keine Ausnahme. Wir wollen dieses System überwinden.

Lucia Mende ist Sprecherin von »Disrupt Tesla«

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