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Aus: Ausgabe vom 29.04.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
50 Jahre Nelkenrevolution

»Der April war erst der Anfang«

Revolutionäres Erbe in Portugal muss gegen Rechte verteidigt werden
Von Carmela Negrete, Lissabon
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»Der Chega-Faschismus gehört zur Behandlung auf die Couch«: Auf der Kundgebung in Lissabon am 25.4.2024

Die Nelkenrevolution und der 25. April sind zu Gründungsmythen des heutigen portugiesischen bürgerlichen Staates geworden. Und das zeigte sich nicht nur an den Feierlichkeiten, von denen manche Programmpunkte an die Grenze des Peinlichen stießen. Das zentrale Konzert auf der Praça do Comércio in Lissabon feierte die Demokratie als etwas dank der Revolution Erreichtes und Abgeschlossenes, mit Volksliedern, aber auch mit einem dafür komponierten Song sowie einem Feuerwerk. Das erinnerte von der Inszenierung her an Disney-Filme. Dabei führen die Konzentration des Privatbesitzes in wenigen Händen, verbreitete Armut, die Rolle ausländischen Kapitals und Probleme der Migration dazu, dass der gegenwärtige Zustand weit davon entfernt ist, sozialistisch zu sein.

Die Vereinnahmung und Abschwächung des Symbols »Nelkenrevolution« zeigt sich auch daran, dass sogar extrem rechte Politiker wie André Ventura von der Chega-Partei am 25. April im Parlament ein Loblied auf den Umsturz sangen: »Vor 50 Jahren haben wir eine Revolution gemacht, und diese Revolution hat uns die Freiheit gebracht.« Um dann fortzufahren und zu behaupten, dass die Portugiesen jedoch später »progressiv ihre Würde verloren« hätten. Wie immer schoss sich Ventura auf nicht portugiesische Mitbürger ein und beklagte die in Portugal aufgrund der wirtschaftlichen Lage verbreitete Auswanderung. Angeblich habe nach dem »Nelkenaufstand« eine »Oligarchie des Aprils« in Portugal Fuß gefasst. Die Chega-Partei nutzt in ihrer Rhetorik eine grassierende politische Gleichgültigkeit und den verbreiteten funktionalen Analphabetismus aus. Die zunehmende Unkenntnis der Vergangenheit trotz der Allgegenwärtigkeit des Symbols »April« spielt den Faschisten in die Hände.

Diese Rechte »ist sehr gefährlich, weil sie unsere Verfassung für die Armut verantwortlich macht, sowie für Korruption, obwohl diese auf den Privatisierungen basiert«, erklärte die Anführerin des Bloco de Esquerda Mariana Mortágua im Parlament. Die junge Ökonomin, Tochter eines Gegners des Diktators António Salazar, Camilo Mortágua, Gründer der Liga de Unidade e Ação Revolucionária, versicherte, dass »keine Lüge verbergen kann, dass für Portugal der April der Anfang war«, und ihre Revolution »ein Strom der Freude, die Schönheit des Sieges über den Faschismus« war. Der »April« bedeutete »volles Leben, Gegnerschaft gegen das Schlafwandeln und den verfluchten Krieg«.

Auch der Generalsekretär der PCP, Paulo Raimundo, einer der vier Abgeordneten, die die Partei in der Volksvertretung hat, erinnerte an die Errungenschaften und hob hervor, dass seine Partei bereits vor dem Sturz der Diktatur am antifaschistischen Kampf beteiligt war und die Revolution »die Türen zur sozialen, politischen und wirtschaftlichen Demokratie geöffnet« habe. Sie habe »politische, soziale und Arbeitsrechte«, »eine gerechtere Verteilung des Reichtums« und »Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen« durchgesetzt und außerdem »ein Ende des Kolonialkriegs« eingeleitet. Eine kostenlose öffentliche Schule, eine hochwertige öffentliche Gesundheitsversorgung, erschwinglicher Wohnraum – all das sei mit der »unvollendeten« Aprilrevolution verbunden. Die große Herausforderung für diejenigen, die nach der Revolution geboren wurden, »und für all jene, die in unserem Land leben und arbeiten«, fügte er hinzu, sei es, »die Aufgaben von damals abzuschließen und die Träume der Revolution zu verwirklichen«.

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