4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 24.04.2024, Seite 5 / Inland
HDE

Handel wünscht Staatshilfen

Verband ruft nach Steuergeld zur Krisenbewältigung. Zahl der Geschäfte eingebrochen
Von Gudrun Giese
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Leerstand in der Georg-Schwarz-Straße in Leipzig

Lange Zeit hat der Einzelhandel prächtig verdient. Jetzt, wo die Geschäfte nach Coronakrise, Inflation und Konsumflaute nicht mehr so gut laufen, soll es der Staat richten, findet der Handelsverband Deutschland (HDE). Die Bundesregierung solle angesichts leerstehender Geschäfte und vieler Insolvenzen einen »Innenstadtgipfel« einberufen, forderte HDE-Präsident Alexander von Preen am Dienstag anlässlich des jährlichen Handelsimmobilienkongresses in Berlin.

Gehe der Einzelhandel, kämen keine Menschen mehr in die Einkaufsstraßen, es drohten Geisterstädte. »Das hat enorme Konsequenzen. Für die Wirtschaft, das Lebens- und Heimatgefühl der Menschen und auch für die gesamte Gesellschaft.« Dass der Einzelhandel selbst für viele Fehlentwicklungen verantwortlich ist, erwähnte von Preen nicht. Schließlich sorgten Ketten à la H&M, Tedi und Rossmann für ein immer homogener werdendes Angebot in den Einkaufsstraßen. Der Bau gigantischer Shoppingmalls zog noch mehr Gleichförmigkeit nach sich. Außerdem trieben diese oft von Fondsgesellschaften errichteten Konsumtempel die Gewerbemieten in die Höhe. Die Rechnung ging auf, so lange die Kundschaft brav ihr Geld in Klamotten, Elektronik und anderen Krempel steckte. Mit dem Rückgang der »Käuferlaune« funktionieren viele Geschäftsmodelle im Handel nicht mehr.

Laut HDE ist die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte bundesweit von 372.000 im Jahr 2015 auf aktuell 311.000 gesunken. Im kommenden Jahr sei mit weiteren 5.000 Schließungen zu rechnen. Die dritte Insolvenz der Warenhauskette Galeria Karstadt-Kaufhof (GKK) innerhalb von dreieinhalb Jahren bringe weitere Unsicherheit in die Branche, so der Verband. Auch wenn die neuen Eigentümer Richard Baker und Bernd Beetz angekündigt haben, mindestens 70 der derzeit noch 92 Filialen erhalten zu wollen, würden weitere Standorte wegfallen – mit enormen Auswirkungen auf die benachbarten Geschäfte. Dass es auch im Fall der Warenhausunternehmen Karstadt und Galeria-Kaufhof die Chefs waren, die den Niedergang dieses Handelssegmentes durch fortgesetzte Fehlentscheidungen eingeleitet haben, ist dem HDE-Präsidenten keine Bemerkung wert.

Wie immer, wenn die Privatwirtschaft kein rentables Geschäft mehr sieht, ruft nun auch von Preen nach der Politik. Die Hauptverantwortung liege beim Bundesbauministerium, aber auch das Bundeswirtschafts- und das Bundesverkehrsministerium müssten einbezogen werden. Der HDE-Chef wünscht sich einen jährlichen Gipfel mit allen Beteiligten zur besseren Abstimmung. Seine Vorstellungen kann er an diesem Mittwoch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) direkt vortragen, wenn sie den Handelsimmobilienkongress besucht. Im Mittelpunkt des Wunschkatalogs steht die Forderung nach Steuermitteln für die darbende Handelswelt, obwohl die Unternehmen und ihre Verbände ansonsten alles dem »Markt« überlassen wollen. So stellt sich der HDE die Gründung einer »Innenstadtakademie« vor, die Städte vernetzen und erfolgreiche Initiativen bekannt machen soll, um die Krise zu überwinden. Finanziert werden soll das Ganze über einen eigenen Titel im Bundeshaushalt. Ebenfalls mit Steuergeld will von Preen eine Gründungsoffensive anschieben: »Wir müssen die Leerstände auch als Chance begreifen und Menschen ermutigen, ähnlich wie bei den Gründerzentren auf der grünen Wiese, ihr eigenes Geschäft in der Innenstadt zu eröffnen.« Das Wagnis der Gründung soll durch einen maximal 60monatigen Zuschuss abgepuffert werden. Dann steht der neuen Gründerzeit ja nichts mehr im Weg.

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