4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 24.04.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Hommage an Mumia Abu-Jamal

Widerstand als höchste Vernunft

USA: Der politische Gefangene, Black-Panther-Veteran und jW-Kolumnist Mumia Abu-Jamal wird 70
Von Jürgen Heiser
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Mumia Abu-Jamal ist weltweit eines der bekanntesten Opfer der politischen Justiz in den USA

In den USA begeht der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal am 24. April seinen 70. Geburtstag. Diesen wichtigen Moment im Leben des Bürgerrechtlers und Ex-Black-Panthers wird die Solidaritätsbewegung in vielen Regionen der Welt und mit zentralen Veranstaltungen in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania nutzen, um auf das Unrecht seiner nun schon 42 Jahre andauernden Haft aufmerksam zu machen.

Vor dem Rathaus von Philadelphia und dem Amtssitz von Bezirksstaatsanwalt Lawrence Krasner werden Abu-Jamals Unterstützer um 14 Uhr (Ortszeit) ihren Protest mit einer Kundgebung beginnen. Eine Delegation der französischen Freiheitskampagne »Libérons Mumia« wird eine Petition an die örtliche Vertretung des Gouverneurs von Pennsylvania, Joshua Shapiro, übergeben. In ihr fordern tausend Unterzeichner aus Frankreich, darunter Künstler, Schriftsteller, Sportler, Abgeordnete und Gewerkschaftsvertreter, die Regierungs- und Justizbehörden in Pennsylvania auf, die rechtswidrige Leugnung der Unschuld Abu-Jamals zu beenden und ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Der Gouverneur und der Bezirksstaatsanwalt hätten die gesetzliche Befugnis, dem Unrecht ein Ende zu setzen, wie es in jüngster Vergangenheit in zahlreichen Fällen manipulierter und korrupter Gerichtsverfahren bereits geschehen ist. Doch was Abu-Jamal angeht, gilt nach wie vor die vorrangig von der rechten Polizeibruderschaft »Fraternal Order of Police« (FOP) durchgesetzte »Mumia-Ausnahme«.

Seit 1981 in Haft

In dieser Zeitung wurden in den vergangenen Jahren unzählige vom Anwaltsteam vorgetragene Gründe genannt, die nur einen Schluss zulassen: Es ist höchste Zeit für Abu-Jamals sofortige und bedingungslose Freilassung und die Rückkehr zu seiner Familie. Nur in ihrer Obhut und in Freiheit kann der durch die unmenschlich lange Haft und die medizinische Unterversorgung im Knast seit fast zehn Jahren ernsthaft erkrankte Journalist und Autor die notwendige medizinische Versorgung erhalten, die sein Leben garantiert.

Nach der Kundgebung und Demonstration im Zentrum Philadelphias wird am Abend eine Veranstaltung von Abu-Jamals Unterstützern mit Rede- und Musikbeiträgen in der geschichtsträchtigen Waters Memorial African Methodist Episcopal Church stattfinden. Dabei soll die Lebensleistung des Kämpfers gegen Rassismus, Unterdrückung und Krieg gewürdigt und die Entschlossenheit der Versammelten zu seiner Befreiung durch vielfältige Stimmen der Solidaritätsbewegung zum Ausdruck gebracht werden.

Fast 28 Jahre hatte Abu-Jamal in der Todeszelle zugebracht, bevor sein Urteil 2011 in lebenslange Haft ohne Bewährung umgewandelt wurde. Er ist ein Veteran der Black Panther Party of Philadelphia, Vater und Großvater und »einer der bedeutendsten revolutionären Denker und Schriftsteller«, wie Workers World am 17. April schrieb. Die Zeitung nannte ihn »einen liebevollen Ältesten der Bewegung, der mit seiner kraftvollen Stimme und seinen Schriften den Kämpfen auf der ganzen Welt neuen Schwung verleiht«. Mit 15 Jahren war er Journalist der Parteizeitung The Black Panther, bis zu seiner Verhaftung arbeitete er als preisgekrönter Radiojournalist.

Als Knastkorrespondent hat Abu-Jamal seit den 1980er Jahren Tausende Kolumnen verfasst, die seit Dezember 2000 auch wöchentlich in der jungen Welt erscheinen. Gerade seine Leser in der BRD liegen ihm am Herzen, weil er aus dem deutschsprachigen Raum seit 1988 beharrliche Unterstützung erhält. Das hob er in einem jW-Interview hervor, das anlässlich seiner 400. Kolumne am 16./17. August 2008 erschien: »Es berührt mich sehr, dass Leute sich die Zeit nehmen, meine Artikel zu lesen.«

Einblicke in den Todestrakt

In seiner Zelle schrieb er mehr als ein Dutzend Bücher oder war als Koautor an ihnen beteiligt. »Aus der Todeszelle. Live from Death Row« erschien 1995 in den USA und in der BRD und bot einen Einblick in das Schreckensregime des US-Gefängnis- und Todesstrafensystems, dem er fast 30 Jahre später immer noch ausgeliefert ist. Doch trotz aller Ablehnungen seiner Berufungsanträge geht auch der juristische Kampf weiter. Seine Anwälte warten derzeit auf Entscheidungen höherer Gerichte über weitere Rechtsmittel in seinem Fall.

Sein Verhältnis zum beharrlichen Kampf um sein Leben und seine Freiheit hat Mumia Abu-Jamal kurz und bündig auf den Punkt gebracht: »Die höchste Form der Vernunft, die ein jeder Mensch ausüben kann, ist der Widerstand gegen die Kräfte, die versuchen, den menschlichen Geist zu unterdrücken, zu knechten und mit Gewalt niederzuhalten.«

Hintergrund: Mumias 70. in Berlin

Im aktuellen Aufruf des Berliner »Free Mumia!«-Bündnisses heißt es: Als Radiojournalist, dessen Beiträge auch aus dem Knast tausendfach verbreitet wurden, und als Buchautor habe Mumia Abu-Jamal »nicht nur viele Menschen gegen die Masseninhaftierungen in den USA motiviert«, sondern gehöre einer Bewegung zur Abschaffung der Knäste an, die der »seit der Sklaverei anhaltenden weißen Vorherrschaft« ein Ende setzen will. Abu-Jamal habe sich weder durch Hinrichtungsbefehle noch durch 29 Jahre Isolationshaft oder die völlig unzureichende Gesundheitsversorgung davon abbringen lassen, »an einem der grausamsten Orte des sozialen Krieges der Reichen gegen die Armen laut und deutlich die Stimme der Unterdrückten zu sein«.

Unter den harten Lebensbedingungen des Gefängnisalltags rufe er immer wieder zur Selbstorganisation auf, um Gefängnisse und ihre profitorientierte Zwangsarbeit als Ausdruck der heutigen Sklaverei und auch die rassistische Todesstrafe abzuschaffen. Für ihn und etwa 2,14 Millionen Mitgefangene in den USA liege darin die Hoffnung auf Leben und Freiheit. »Manche sagen, es sei unvernünftig, Widerstand gegen dieses gewalttätige System zu leisten. Ich denke, es ist unvernünftig, das nicht zu tun«, schreibt Mumia Abu-Jamal. »Lasst uns Mumias bisherige Lebensleistung würdigen!«, heißt es daher in dem Aufruf. »Zusammen gegen Rassismus, Ausbeutung und Krieg!« (jh)

24. April, ab 18 Uhr: Fahrraddemonstration zur US-Botschaft. Treffpunkt und Start: Kollektivkneipe Syndikat, Emser Str. 131, Berlin

24. April, ab 20 Uhr: Kundgebung vor der US-Botschaft, mit oder ohne Fahrrad, Pariser Platz 2, Berlin

In weiteren deutschen Städten werden ebenfalls Aktivitäten zu Mumia Abu-Jamals Geburtstag stattfinden. Lokale Ankündigungen beachten!

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