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Aus: Ausgabe vom 18.04.2024, Seite 16 / Sport
Rodeo

Was auf der Ranch passiert: Bullenreiten in Billings, Montana

Von Maximilian Schäffer
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Zur Ergänzung von Whisky und Glücksspiel kamen die allseits beliebten Bullenreiter der PBR in die Stadt (Cassio Dias auf Ricky Vaughn, 7.4.2024)

Billings ist wirklich ein Dreckloch. Sogar die gut 1,1 Millionen Einwohner des sehr ruralen Bundesstaats Montana geben zu, dass ihre bevölkerungsreichste Stadt nicht gerade glänzt. Knapp 120.000 arme Seelen darben hier zwischen Spielhallen, Stripbars und Tankstellen dahin. Billings ist die weißeste Stadt der USA (88 Prozent) und angeblich die mit den anteilig meisten Depressiven (31 Prozent). Indianer aus den umliegenden, bettelarmen Reservationen lassen sich oft hierher karren, um ihre paar US-Dollars in Meth, Schnaps und Slot Machines zu investieren. Verstofft und orientierungslos, landen sie nach durchzechten Nächten auf Straßen, von denen sie niemand mehr aufpflückt. Höchstens die Polizei, wenn sie im repräsentativen Stadtzentrum zu auffällig werden. Ja, auch im gottverlassenen Montana sind die grassierende Obdachlosigkeit und das Oxycodon angekommen. Wer irgendwann wieder aus solch tödlichen Lebensumständen aufersteht, findet vielleicht einen Job (aber keine Arbeit) in der riesigen, alten Dreckschleuder einer Zuckerfabrik, die den Highway zur Stadt dekoriert.

Zur Ergänzung von Whisky und Glücksspiel kamen vergangenes Wochenende die allseits beliebten Bullenreiter der PBR in die Stadt. Juchheissa! – mag so mancher Zugezogene gerufen haben. Tatsächlich haben sich selbst im traurigen Billings die Immobilienpreise in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Günstige Konfektions­bretterbuden werden überall angeboten, die reichen Farmer im Westen des Staats verscheuern nun ihre kargen Äcker zu Mondpreisen und werden noch reicher. Manch ein Bauer kauft sich gleich noch einen Reitbullen, was eine gute Investitionsanlage sein kann und deutlich emotionaleren Mehrwert bring als Kryptowährungen. In diesem Jahr wurde ein Rekord aufgestellt: Raging Thunder, in einer Blutlinie mit den berüchtigtsten Rinderriesen der 90er und 2000er – Bushwacker und Bodacious – wurde für 3,2 Millionen US-Dollar an unbekannte Käufer versteigert. Raging Thunder darf nun besamen, was das Zeug hält.

Kühe allerdings, nicht die schlaksigen Bullenreiter! So will es das Gesetz von Montana eindeutig. »Abweichendes Sexualverhalten«, einvernehmlich oder nicht, wird mit bis zu zehn Jahren Knast und bis zu 50.000 US-Dollar Geldstrafe geahndet. Aufgrund der geographischen und gesellschaftlichen Verhältnisse muss entsprechend regelmäßig Recht gesprochen werden. Nur keine Sorge! Ausgeschlossen, dass die braven Gauchos und Cowboys mit ihren Kreuzen und Jesus-Sprüchlein auf den Fettlederwesten und Wichs­lederhosen gerichtsnotorisch sein könnten. Was auf der Ranch passiert, bleibt auf der Ranch.

Offiziell passierte folgendes: Cassio Dias flog gleich in der ersten Runde von »Gucci«. Thiago »Baby T« Salgado schlug sich erfolgreich in der zweiten Runde zu 89,25 Punkten auf Buffalo Heifer, scheiterte aber in der dritten Runde. Im finalen Durchgang traten die routiniertesten Viecher auf und waren fest entschlossen, sich nicht belästigen zu lassen. Einzig der 33jährige Veteran Eduardo Aparecido schaffte einen Ritt auf Flyin Wired zu 89,25 Punkten und gewann das Event. Man kann es schon ahnen, dass der reinweiße Man Hater gar nicht erst Gefahr lief, sich von Billings beflecken zu lassen.

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