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Aus: Ausgabe vom 19.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Waffe im Wirtschaftskrieg

Globales Spinnennetz

Der Fluch der Sanktionen: USA verschärfen wirtschaftlichen Druck auf Venezuela. Auch Russland weiter im Visier
Von Klaus Fischer
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Venezuela ist neben Kuba das von den USA am stärksten sanktionierte Land Lateinamerikas

Washington setzt Sanktionen gegen Venezuelas Öl- und Gassektor wieder in Kraft, meldete dpa am Donnerstag. Damit wolle die US-Regierung »Druck auf die Regierung des autoritär regierenden Präsidenten Nicolás Maduro« ausüben, so die deutsche Nachrichtenagentur. Eine Genehmigung für entsprechende Geschäfte werde nicht erneuert, hatte das State Departement am Mittwoch mitgeteilt. US-Bürger und Personen, die sich in den Vereinigten Staaten befinden, hätten demnach 45 Tage Zeit, um noch ausstehende Transaktionen mit den sanktionierten Firmen und Geschäftsleuten abzuwickeln.

»Unser Gesetz gilt überall.« Dieser Anspruch der USA wird gern als ein natürliches Recht deklariert und ist inzwischen die wohl am häufigsten angewendete Waffe der imperialistischen Führungsmacht zum Erhalt ihres globalen Status. Und es trifft alle, die in ihrem politischen und geschäftlichen Handeln mit US-Interessen in Konflikt geraten. Venezuela, dessen Politik in Washington als offene Herausforderung der Supermacht empfunden wird, ist neben Kuba das am heftigsten attackierte Ziel in Lateinamerika.

Bereits Ende Januar hatte die Joseph-Biden-Administration umfangreiche Wirtschaftskriegsmaßnahmen wieder in Kraft gesetzt. Die Begründung: Maduro habe sich nicht an Vereinbarungen mit Blick auf die anstehenden Wahlen in seinem Land gehalten. Obwohl das eine innere Angelegenheit des Landes ist, hatte Washington Druck gemacht, um die Chance für einen Kandidaten der »Opposition« zu erhöhen. Als Anreiz dafür wurden gnädigerweise bereits verhängte Sanktionen vorübergehend ausgesetzt. Nun ist man am Potomac unzufrieden mit dem Ergebnis – und die Strafen werden wieder in Kraft gesetzt. Unter anderem wurden mögliche Vermögenswerte in den USA gesperrt. »Wir fordern Maduro auf, allen Kandidaten und Parteien die Teilnahme am Wahlprozess zu ermöglichen und alle politischen Gefangenen ohne Einschränkungen oder Verzögerungen freizulassen«, polterte das US-Außenamt. Und dpa assistierte: »Beobachter rechnen nicht mit einer freien und fairen Abstimmung.«

Wie viele Staaten, Firmen und natürliche Personen inzwischen von US-Behörden in Acht und Bann geschlagen wurden, ist für Betroffene – also Regierungen, Personen und Firmen in aller Welt – kaum noch nachzuvollziehen. Allein jene Maßnahmen, die in der Liste des Office of Foreign Assets Control (OFAC), einer Behörde des US-Finanzministeriums, enthalten sind, sind dermaßen ausufernd, dass es spezieller Dienstleister für Firmen weltweit bedarf, um herauszufinden, ob ein Geschäft, ein Geschäftspartner – oder dessen Tante sagen Spötter – eventuell mit US-Sanktion belegt ist.

Diese Sanktionen wirken zerstörerisch – vor allem gegen Ziele, die sich nicht oder kaum wehren können. Es scheint, als läge über dem gesamten Welthandel ein lähmendes Spinnennetz. Das funktioniert vor allem deshalb, weil die Dominanz der westlichen Finanzinfrastruktur weiter ungebrochen ist. Und kein Staat ist so stark betroffen, wie Russland.

Derzeit leiden russische Unternehmen, die in China geschäftlich engagiert sind, darunter, dass sich immer mehr chinesische Banken weigern, Zahlungen in Yuan abzuwickeln, wie die deutsche Ausgabe von Russia ­Today am Mittwoch schrieb. Grund: Die Geldinstitute fürchten US-Strafen, die sie möglicherweise erhalten könnten und die ihrer Geschäftstätigkeit im für China wichtigen US-Markt gefährden würden. Ein Machtwort aus Beijing ist derzeit zudem kaum zu erwarten, da für die Wirtschaft der Volksrepublik Milliardensummen auf dem Spiel stehen. Also müssen die Russen weiter erfindungsreich – und aufwendig – Zahlungsweisen kreieren, die die Sanktionen umgehen. Das kostet Kraft und Zeit und bindet neue Mittel. Dies ist das wirklich zerstörerische Moment der Sanktionen.

Freien Handel im Weltmaßstab gab es noch nie. Immer diktierten die ökonomisch Stärksten die »Terms of Trade« genannten Austauschverhältnisse von Waren und Dienstleistungen. Und stets war die in Sonntagsreden beschworene Globalisierung ein unausgewogener Prozess. Daran sollte eigentlich der aktuelle Trend zur Multipolarität etwas ändern. Wird er womöglich auch. Leider ist derzeit weder von den BRICS kraftvoller Widerstand gegen das US-Diktat zu verspüren, noch von der ebenfalls von den Wirkungen der US-Sanktionen betroffenen EU. Letztere beteiligt sich lieber im Schlepptau Washingtons an den Aktionen, als ihre eigenen Interessen zu verteidigen.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (19. April 2024 um 10:12 Uhr)
    Allein zu Haus, Uncle Sam! Zumindest sieht es so aus, wenn man die aktuellen weltweiten Entwicklungen betrachtet. Die Regierung der USA stellt die Interessen ihres privaten Dollar-Imperiums und ihrer internationalen Großkonzerne über die Bedürfnisse ihrer Bürger. Nicht um sonst befinden sich die USA-Bürger in einem trostlosen Haushaltsdefizit wieder, da sie alle Ausgaben-Kosten tragen müssen, während die Gewinne ausschließlich in den Privattaschen fließen. Sie beharrt auf ihrer Monopolstellung und unterdrückt potenzielle Konkurrenten durch Embargos und Sanktionen, sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich. Ironischerweise ist der Kapitalismus, dem sie angeblich folgen, auf Wettbewerb angewiesen. Es bleibt unverständlich und unerklärlich, wie sie ein solches System weiterhin als empfehlenswert vermarkten wollen. Die aktuellen Entwicklungen bestätigen jedoch, dass dieser Kurs unausweichlich zum Untergang führt. »Anteilnehmende Freundschaft der EU macht das Glück strahlender und erleichtert das Unglück!«

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