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Aus: Ausgabe vom 19.04.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Geheimdienstskandal

Die Iran-Contra-Affäre

Um den geheimen Krieg gegen Nicaragua fortsetzen zu können, verwickelte sich die CIA in den 80ern in illegale Waffen- und Drogengeschäfte
Von Dominik Wetzel
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Lässt sich nicht verheimlichen: Festgenommener US-Söldner Eugene Hasenfus nach Flugzeugabschuss (7.10.1986)

Im Jahr 1979 waren zwei Revolutionen um den Globus gefegt, deren Effekt bis heute nachhallt. Am 17. Juli gelang den sozialistischen Sandinistas, was die Iraner bereits am 11. Februar erreicht hatten: US-gestützte Diktaturen wurden zu Fall gebracht, der Weg in die Unabhängigkeit war frei. In Nicaragua endete die 43 Jahre währende Herrschaft der Somoza-Familie, im Iran war es die Pahlavi-Monarchie, die britische und US-Geheimdienste nach dem Putsch gegen Premierminister Mohammed Mossadegh 1953 installiert hatten.

Iran stand nach der damaligen Revolution den größten Teil der 1980er Jahre im Golfkrieg dem Irak gegenüber. Mit den Sandinistas war der US-Regierung unter dem Republikaner Ronald Reagan eine sozialistische Regierung auf dem amerikanischen Kontinent ein Dorn im Auge. Washington setzte alle Hebel in Bewegung, um die faschistischen Contra-Rebellen im Land gegen die neue Regierung hochzurüsten und zu unterstützen. Doch in den Jahren 1983 bis 1985 setzte der demokratische Kongressabgeordnete Edward Boland nach ihm benannte Gesetzesvorlagen durch, die den Geldsegen der Regierung zur Unterstützung der Contras unterbanden.

Wie die Los Angeles Times damals berichtete, sollten zunächst private Spender die Lücke füllen, die Dutzende Millionen US-Dollar für den Krieg in Nicaragua zusammenlegten. Aus Saudi-Arabien sollen zwischen 1984 und 1986 allein 30 Millionen US-Dollar zusammengekommen sein. Israel soll Waffen geliefert haben. Doch Kriege sind teuer, und die Gelder reichten nicht aus.

Die CIA schaffte es schließlich, einen Weg aus der Finanznot zu finden, als die libanesische Hisbollah 1984 sieben US-Amerikaner als Geiseln nahm. Im Gegenzug für Waffenlieferungen versprach Iran, sich für die Freilassung der Geiseln einzusetzen. Doch wegen eines seit der islamischen Revolution bestehenden Embargos mussten die Waffen auf dem Umweg über Israel an den Iran verkauft werden. Bis 1986 lieferten die USA 1.500 US-amerikanische Raketen für bis zu 30 Millionen US-Dollar an Iran. Mit dem Geld wurden schließlich die Contras in Nicaragua finanziert.

Reagans Vorliebe für die Contras war für jeden offensichtlich. 1985 erklärte er in einer Rede, in der er vom Kongress 14 Millionen für deren Unterstützung forderte, sie seien »moralisch gleich den Gründervätern« der USA und der »französischen Résistance« gegen Nazideutschland ebenbürtig – und das, obwohl damals schon bekannt war, dass die »Freiheitskämpfer« für die meisten Menschenrechtsverstöße im nicaraguanischen Bürgerkrieg verantwortlich waren.

Am 3. November 1986 berichtete die libanesische Zeitschrift Al-Schira erstmals über die US-Waffenverkäufe an den Iran. Die Geschichte war also aufgeflogen. Reagan setzte daraufhin im Dezember 1986 die sogenannte Tower-Kommission ein, um den Sachverhalt zu klären. Die sah den US-Offizier Oliver North als Hauptverantwortlichen an.

Eine weitere wichtige Geldquelle der Contras war schließlich der Drogenhandel. In den 1980er Jahren war der US-Drogenbaron Ricky »Freeway Rick« Ross gerade dabei, sich im Kokainhandel in Los Angeles nach oben zu arbeiten. Das Kokain bezog er von den Nicaraguanern Oscar Danilo Blandón und Norwin Meneses. Wie die als »Dark Alliance« berühmt gewordenen Recherchen des Reporters Gary Webb für San Jose Mercury News enthüllten, wusste die CIA von der Handelsbeziehung und ließ die Sache laufen. Damit finanzierten Drogendealer auf US-amerikanischen Straßen den Krieg in Lateinamerika.

Reagan wollte jedoch den Spieß umdrehen und erklärte, es seien die Sandinistas, die Drogen in die USA exportierten, um »unsere Jugend zu vergiften«. Da die CIA sicherstellte, dass dem Handel nichts in die Quere kam, konnten Ross und seine Partner ein Vermögen verdienen. Bei seiner Verurteilung 1996 schätzten Staatsanwälte, dass Ross zwischen 1982 und 1989 insgesamt drei Tonnen Kokain weiterverkauft und damit insgesamt 900 Millionen US-Dollar verdient hatte. Im Interview mit Vice News erklärte Ross, dass er zum Höhepunkt seiner Karriere etwa drei Millionen US-Dollar am Tag verdient habe.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Wolfgang H. aus Dreesch (19. April 2024 um 12:28 Uhr)
    Die beiden Beiträge von Dominik Wetzel »Die Iran-Contra-Affäre« und »Champion des Völkerrechts« erhalten meinen Beifall. Sehr gut, wie er die damaligen Ereignisse reflektiert. Ich war zu dieser Zeit Berater bei der FSLN und meine, mir ein Urteil darüber bilden zu können. Auf ein Detail möchte ich hinweisen, das eigentlich keins ist. Dominik Wetzel schreibt: »Mit den Sandinistas war der US-Regierung unter dem Republikaner Ronald Reagan eine sozialistische Regierung auf dem amerikanischen Kontinent ein Dorn im Auge.« Die damalige nicaraguanische Regierung war keine sozialistische, sondern eine sandinistische. In der ersten Regierungszeit der FSLN in den 1980er Jahren orientierte die FSLN nicht auf den Sozialismus. Das begründeten die Mitglieder der Nationalleitung auf allen möglichen Veranstaltungen wie zum Beispiel Victor Tirado in seiner Rede am 26. Februar 1983 auf der Nationalen Vollversammlung der Sandinistischen Gewerkschaften. Die FSLN sprach in den 1980er Jahren wohl vom und über den Sozialismus. Das war der Tatsache geschuldet, dass sie die Sowjetunion und die sozialistische Staatengemeinschaft als ihre strategischen Verbündeten betrachtete. Deshalb war jedoch ihre Regierung noch nicht sozialistisch. Eine Regierung wird auch nicht sozialistisch, weil die US-Administration sie als solche definiert. In der Einleitung des Politischen Programms von 2002 heißt es: »Die FSLN begründet ihr Programm auf dem historischen Erbe, das uns Sandino hinterließ, und in den Postulaten des Sozialismus (…) Die FSLN ist eine revolutionäre Partei, die den Sozialismus als eine plurale Komposition anstrebt.« Dieses Gesellschaftsmodell soll »christlich, sozialistisch und solidarisch« sein. Wolfgang Herrmann, Dreesch
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (22. April 2024 um 12:36 Uhr)
      Vielen Dank für Ihre interessanten Anmerkungen, Herr Herrmann. Vielleicht schreiben Sie ja einmal einen Artikel zu Ihrer Beratertätigkeit?

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