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Aus: Ausgabe vom 17.04.2024, Seite 5 / Inland
Klimaschutzgesetz

Kniefall vor der FDP

Ampel beschließt neues Klimaschutzgesetz. Wirksame Maßnahmen werden verschleppt
Von Wolfgang Pomrehn
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Die Berliner Koalition hat sich auf eine Novelle des Klimaschutzgesetzes geeinigt. Noch am Montag morgen hatte der aufgrund des Gesetzes eingerichtete Expertenrat für Klimafragen davor gewarnt, die strikten Verantwortlichkeiten der einzelnen Sektoren aufzugeben, wie sie bisher gelten, wenige Stunden später legten die Spitzen von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen genau das fest. Vorausgegangen waren Drohungen von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), er müsse Fahrverbote erlassen, wenn das Gesetz nicht geändert werde. Bisher waren für die einzelnen Bereiche Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft jährliche Höchstmengen der Treibhausgasemissionen vorgeschrieben, die von Jahr zu Jahr abnehmen. Für die Energiewirtschaft, also hauptsächlich die Kohle- und Gaskraftwerke, gibt es nur eine Zielmarke für 2030. Der Verkehrssektor hat seine Höchstwerte seit 2021 regelmäßig überschritten. Das Gesetz sieht vor, dass das zuständige Ministerium binnen drei Monaten einen wirksamen Maßnahmenkatalog zur zeitnahen Minderung der Emissionen vorlegt. Doch das unterblieb. Mögliche Maßnahmen wären zum Beispiel Tempolimits, eine bessere Förderung der öffentlichen Verkehrssysteme oder ein günstigeres Deutschlandticket. Ein langfristig verlässlicher Preis von 29 Euro im Monat würde laut verschiedenen Umfragen manche Autofahrerin und manchen Autofahrer zum Umsteigen bringen.

Doch nichts von dem geschieht, was zeigt, wie haltlos Wissings Drohungen sind. Statt dessen spendiert er, wie im Februar angekündigt, mal eben 150 Millionen Euro für sogenannte Flugtaxis. Produziert wird das neue Spielzeug für den oberen Mittelstand von Volocopter, einem nach Informationen der FAZ angeschlagenen Unternehmen. Wirtschaftsprüfer sollen laut Spiegel vor der Zahlung gewarnt haben.

Und nun setzt der Verkehrsminister auch noch durch, dass die gesetzlichen Sektorziele ganz abgeschafft werden. Entsprechend nennt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) die koalitionsinterne Einigung einen »Kniefall vor der FDP«. Die »Klimaschutzlücke« im Bereich Verkehr werde »auf die lange Bank geschoben«, da es in dieser Legislaturperiode keinerlei Verpflichtung zur Nachbesserung im Klimaschutz gebe. Dabei habe die DUH erst im November letzten Jahres ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg erwirkt, das die Bundesregierung auf Grundlage des Klimaschutzgesetzes zu mehr Anstrengungen im Verkehrs- und Gebäudebereich verpflichtet. Die Regierung hat dagegen Berufung eingelegt.

Übrigens: Selbst die Ziele, die jetzt noch verwässert werden, reichen bei weitem nicht, um Deutschlands entsprechende Verpflichtungen zu erfüllen. 2015 hatte es die Pariser Klimaschutzvereinbarungen unterschrieben, mit der sich die Staaten verpflichten, die globale Erwärmung auf möglichst 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu beschränken. Dafür müsste die weitere Anreicherung von Treibhausgasen in der Atmosphäre strikt begrenzt werden, was nur mit einer festen Gesamtmenge der noch erlaubten Emissionen möglich ist. Der von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenrat für Umweltfragen hatte letzten Monat vorgerechnet, dass Deutschland, wenn man gleiche Rechte für alle Menschen zugrunde legt, seinen gerechten Anteil an dieser Gesamtmenge bereits aufgebraucht hat. Eigentlich müssten die Emissionen hierzulande also so rasch wie nur irgend möglich heruntergefahren werden.

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