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Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 5 / Inland
Arm im Alter

Düstere Zeiten für Rentner

Warnungen vor »explodierender Altersarmut« – besonders in Ostdeutschland. Tafeln bereits am Limit
Von Gudrun Giese
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Für viele die einzige Chance, durch den Monat zu kommen: Lebensmittelausgabe der Tafel (Oberhausen, 29.12.2022)

Das Problem der Altersarmut ist bereits enorm, wird sich wohl aber noch weiter ausweiten. Ursächlich ist die wachsende Zahl von Senioren, die auf Grundsicherung angewiesen sind. Immerhin profitieren in diesem Jahr auch Rentner von der Erhöhung des Grundfreibetrages bei der Einkommenssteuer. Als »Inflationsausgleich« hatte Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Betrag, auf den keine Steuern entrichtet werden müssen, von 10.908 auf 11.604 Euro erhöht. Der Minister möchte den Freibetrag rückwirkend noch stärker erhöhen, worüber die Ampelkoalitionäre derzeit diskutieren. Mit der jetzigen Erhöhung um 696 Euro fielen 2024 rund 244.000 Rentner aus der Steuerpflicht, berichtete am Montag die ARD-»Tagesschau« mit Verweis auf einen Sprecher des Finanzministeriums. Zugleich müssen 114.000 Ruheständler ab Juli erstmals Einkommenssteuer zahlen, weil sie mit der Rentenerhöhung von 4,57 Prozent über den Grundfreibetrag kämen. Insgesamt werden in diesem Jahr 6,3 Millionen Bundesbürger als »Steuerpflichtige mit Renteneinkünften« gelten. Insgesamt zählen derzeit 21 Millionen Menschen in der BRD zu den Rentenbeziehern.

Mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand in den nächsten Jahren wird sich nicht nur die Zahl der Rentner deutlich erhöhen. Auch die Steuerpflicht auf diese Einkommensart wird nach und nach steigen, weil seit einer Änderung 2004 ein immer größerer Teil der Rente mit der Steuerpflicht belegt wird, während die Versicherungsbeiträge während der Erwerbsphase steuerfrei bleiben. Wer nur eine kleine Rente bezieht und keine weiteren Einkünfte hat, muss auch keine Einkommenssteuer darauf zahlen. Fraglich ist dann, ob die monatlichen Einnahmen überhaupt zum Leben reichen.

Am Wochenende berichteten verschiedene Medien, dass immer mehr alte Menschen sich mit Lebensmitteln bei den Tafeln versorgen müssen. Nach Angaben des Dachverbandes dieser Organisationen seien bereits 25 Prozent ihrer Klienten im Rentenalter. »Sie beziehen geringe Renten oder Grundsicherung«, erklärte der Vorsitzende der Tafel Deutschland, Andreas Steppuhn, gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Er geht davon aus, dass die Zahl der älteren Tafel-Kunden in den nächsten Jahren angesichts hoher Mieten und Energiepreise noch steigen werde. »Der Gang zur Tafel ist für viele eine Möglichkeit, Kosten zu sparen und überhaupt durch den Monat zu kommen«, so der Verbandschef. Auch Rentenerhöhungen hätten die Lage für viele Ältere nicht nachhaltig entspannt. »Die Altersarmut wird explodieren – besonders in Ostdeutschland«, warnte Steppuhn, denn die Mehrheit der Ostrentner bezieht neben der gesetzlichen Rente keine weiteren Einkünfte, etwa aus Vermietungen, Kapitalanlagen oder Betriebsrenten.

Der Vorsitzende des Verbandes unterstrich, dass die Tafeln die Probleme der Altersarmut nicht lösen könnten, weil sie nicht unendlich viele Lebensmittel erhielten. So hätten inzwischen viele Tafeln in der Bundesrepublik zeitweise Aufnahmestopps verhängt und Wartelisten eingeführt. »Die Nachfrage übersteigt vielerorts schlicht das Angebot, und es ist auch nicht die Aufgabe der Tafeln, die Lücken im Sozialstaat oder Rentensystem zu füllen«, betonte Steppuhn. Mit Stand Februar gab es nach Angaben des Dachverbandes bundesweit 975 Tafeln mit über 2.000 Ausgabestellen. Sie erhalten abgelaufene oder überzählige Lebensmittel von Supermärkten, Bäckereien oder dem Großhandel, die sie an arme Menschen kostenlos oder gegen einen kleinen Obolus weitergeben.

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