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Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 1 / Titel
Schwangerschaftsabbruch

Frauenrechte Nebensache

Straffreiheit für Schwangerschaftsabbrüche: Ampel verschleppt Neufassung der reproduktiven Rechte. Kotau vor Konservativen
Von Claudia Wrobel
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Protest mit Kleiderbügel: Demonstration gegen den Paragraphen 218 in Berlin

Beim Abtreibungsrecht eine fortschrittliche Position einnehmen? Nicht mit der Bundesregierung. Die knickt vor konservativen Kräften ein, statt dem wissenschaftlichen Konsens zu folgen. Nach den Äußerungen der zuständigen Fachminister am Montag mittag ist nicht damit zu rechnen, dass die Empfehlungen einer von der Bundesregierung eingesetzten Fachkommission zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs schnell umgesetzt werden. Frauen werden damit weiterhin wichtige reproduktive Rechte verwehrt.

Dabei könnten die Schlussfolgerungen der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eindeutiger nicht sein: In ihrem Abschlussbericht legt die interdisziplinär zusammengesetzte Gruppe ausführlich dar, warum es notwendig und von breitem gesellschaftlichem Konsens getragen sei, Schwangerschaftsabbrüche künftig rechtlich abzusichern und zu legalisieren. Demnach sollte der Abbruch in der frühen und mittleren Phase einer Schwangerschaft grundsätzlich erlaubt sein, wobei es am Gesetzgeber sei, die Grenze festzulegen. Seit 1995 ist die heutige Rechtsprechung zu Abtreibungen in Kraft, wonach Abtreibungen grundsätzlich verboten sind, unter gewissen Voraussetzungen allerdings straffrei bleiben. Dazu gehört, dass Schwangere in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen nach einer verpflichtenden sogenannten Schwangerschaftskonfliktberatung einen Abbruch vornehmen lassen können.

Bei der Vorstellung des Berichts betonte Frauke Brosius-Gersdorf, stellvertretende Koordinatorin der entsprechenden Arbeitsgruppe der Kommission, am Montag in Berlin, dass es sich bei der Frage Straffreiheit oder Legalisierung eben nicht um eine Formalie handelt: »Es macht einen großen Unterschied für Frauen, ob das, was sie tun, Unrecht ist oder Recht.« Außerdem sei diese Frage auch relevant, wenn es darum geht, dass Abbrüche in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden können. Betroffene müssen die Kosten von bis zu 600 Euro derzeit in der Regel privat tragen.

Liane Wörner ergänzte, dass der problematische Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen die reproduktiven Rechte von Frauen einschränkt: »Und zwar nur von Frauen, nicht von Männern.« Das sei auch aus einer Position der Gleichstellung nicht hinnehmbar. Konservative hingegen wollen den Status quo erhalten. Obwohl sogar die Position von unter anderem Glaubensorganisationen für den Abschlussbericht berücksichtigt wurde, meinen sie, die Bevormundung von Frauen sei weiterhin zeitgemäß. So erläuterte etwa die CDU-Vizevorsitzende und familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher, gegenüber dpa, dass das Strafgesetzbuch »genau der richtige Ort« sei, »um dieses sensible Thema zu regeln«.

Und offenbar hat es auch die Ampelregierung nicht besonders eilig, hier eine Neufassung vorzulegen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte an, den Bericht gründlich auszuwerten und insbesondere die verfassungs- und völkerrechtlichen Argumente zu prüfen: »Das gebietet uns nicht zuletzt das Verantwortungsbewusstsein für den sozialen Frieden in unserem Land.« Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesfamilienministerin Elisabeth Paus (Bündnis 90/Die Grünen) äußerten sich ähnlich verhalten.

In dem Bericht gaben die Experten außerdem Empfehlungen zur Fertilitätsmedizin. Demnach schlagen sie vor, Eizellspenden unter bestimmten Voraussetzungen zu erlauben.

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