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Online Extra
06.04.2024, 13:11:56 / Ausland
Krieg gegen Gaza

Friedensbotschaft an Washington

Israelisch-jüdische Kriegsgegner demonstrieren für Waffenstillstand und gleiche Rechte für alle
Von Anne Herbst, Tel Aviv
Protest am Freitag vor der US-Botschaft in Tel Aviv
Protest am Freitag vor der US-Botschaft in Tel Aviv

Wildes Gehupe, wüste Beschimpfungen, Drohungen und »Kopf ab!«-Gesten waren am Freitag vormittag vor der Außenstelle der Botschaft der Vereinigten Staaten in Tel Aviv zu vernehmen. Sie galten rund hundert jüdischen Aktivisten, darunter auch US-Amerikaner, die ihre Friedensbotschaft überbringen wollten. Vor allem hier »Bibiisten« genannte Anhänger des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu wurden fuchsteufelswild, als sie Plakate mit der Aufschrift »Stoppt die Bombardierungen!« zu lesen bekamen. Sie halten die Demonstranten für »Verräter« und beschuldigen sie, mit der Hamas zu kollaborieren. Die Stimmung war aufgeheizt. Selbst die wenigen Passanten, die den steilen Thesen der Rechten nicht umgehend beipflichteten, wurden der Komplizenschaft mit den »linken Terrorunterstützern« verdächtigt.

»Wir werden regelmäßig von Schaulustigen physisch angegriffen«, berichtet Erez Bleicher von All That’s Left im Gespräch mit jW über Lynchmobs, die meist von der Polizei ausgebremst werden. Bleicher betont, dass »Palästinenser, die ihre Rechte einfordern, ungleich größerer Gewalt ausgesetzt sind und systematisch Repression erfahren«. Seine Gruppe, die zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die Besatzung leistet, hatte die Kundgebung gemeinsam mit den Graswurzelorganisationen Free Jerusalem und dem Radical Bloc organisiert.

Allein der Slogan des Protests »Nein zu sechs Monaten Massaker, Hunger, Waffenlieferungen und diplomatischer Straffreiheit« liege »komplett außerhalb des Konsenses der öffentlichen Diskussion in Israel«, so Bleicher weiter. Allemal dass die Aktivisten ein »Genozid« anklagen und um die rund 33.000 bisher in Gaza getöteten Palästinenser trauern, indem sie unter dem Motto »Sie sind keine Nummern!« die Namen von Opfern verlasen und Fotos, vorwiegend von Kindern unter ihnen, hochhielten. Und so rissen Polizisten den Demonstranten – die meisten kommen aus dem kommunistischen und anarchistischen Spektrum, einige aus der Öko- und LGBTQ-Bewegung – die Listen mit den Namen aus der Hand, und es konnten schließlich nur 300 gerufen werden. Kurzzeitig schien die Lage zu eskalieren. Die Polizei geht meistens aggressiv gegen Proteste vor, und es kommt häufig zu Festnahmen von Menschen, die einfach nur ihre Bürgerrechte wahrnehmen.

Die Minimalforderungen der Antikriegsproteste lauten: ein sofortiger dauerhafter Waffenstillstand und Stopp der Rüstungslieferungen an Israel und ausreichende Hilfe für die Bevölkerung im Gazastreifen. Mehr dürfte, realistisch gesehen, gegenwärtig kaum zu erreichen sein. Die israelische Friedensbewegung ist schwach: »Während es der internationalen Linken gelungen ist, für eine Welle von Solidaritätsaktionen zu mobilisieren, haben sich die Kampfbedingungen für uns verschlechtert: Repression, Zensur, Gewalt und Einschüchterung nehmen zu«, erklärt Bleicher. »Da die Palästinenser unvorstellbarer Gewalt ausgesetzt sind, versucht der Staat, jede Kritik an seinem Vorgehen bereits im Keim zu ersticken.«

Was erwarten die israelischen Kriegsgegner von der deutschen Linken? Diese müsse als Allererstes begreifen, »dass das Massaker im Gazastreifen für niemanden Sicherheit, sondern nur kollektives Leid auf allen Seiten bedeutet«, meint Bleicher. »Nur eine Zukunft ohne Besatzung und Apartheid kann ein Leben in Würde für alle bringen. Gerechtigkeit wird es erst geben, wenn die bis heute andauernde Nakba beendet und das Recht der Palästinenser auf Rückkehr anerkannt wird.«

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