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Aus: Ausgabe vom 15.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Tourismus

¡Turistas, volved a casa!

Organisierte Proteste gegen Massentourismus auf den Kanaren
Von Uschi Diesl
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Wollen nicht die Liegewiese für Scharen teutonisch-britischer Urlauber sein (Santa Cruz, Teneriffa, 11.4.2024)

Der Badeurlaub im Süden ist für Deutsche auch nicht mehr, was er mal war. In jüngster Zeit ging ein Video durch die spanischen Medien, in dem Touristen auf einer Strandpromenade im Süden Teneriffas von einheimischen Demonstranten beschimpft werden. »Geht zurück nach Hause«, schreien einige. Andere drohen mit Prügel. Plakate werden geschwenkt. »Tourists go home« ist darauf zu lesen. Oder »Esta es nuestra tierra« (Das ist unser Land). Solche Aktionen gibt es in Spanien neuerdings häufiger.

»Tourismusphobie« herrsche nicht mehr nur am Ballermann auf Mallorca oder in Barcelona, konstatierte der Radiosender Cadena SER kürzlich. Auch auf den kanarischen Inseln werde Urlaubern feindlich begegnet. Und sogar auf dem Jakobsweg in Galicien. Landauf, landab wird der Massentourismus für Umweltzerstörung, Staus, Wohnungsnot, Preisanstiege und Wassermangel, für die Überlastung des Gesundheitssystems oder der Abfallwirtschaft verantwortlich gemacht.

Das Regionalblatt El Diario hat die Kanaren gerade als »Pulverfass« beschrieben. Mehr als ein Dutzend Bürgerinitiativen haben sich in der Organisation »Canarias Se Agota« (CSE, Die Kanaren haben genug) vereinigt. In der vergangenen Woche gab es eine Kundgebung vor dem Parlament in Madrid und auf Teneriffa traten Aktivisten vor einer Kirche in La Laguna in einen Hungerstreik. Am 20. April soll es auf allen kanarischen Inseln Großdemos geben. »Einer der größten Proteste in der Geschichte der Region« ist angekündigt.

Zu den Forderungen der CSE gehören Baustopps für Hotels und Golfplätze, die Einführung einer Übernachtungssteuer, Auflagen für Ferienwohnungen – und Investitionen in Industrie und Landwirtschaft, um die Abhängigkeit vom Tourismus zu verringern. Aktuell erwirtschaftet die Branche etwa 35 Prozent des kanarischen Inlandsproduktes. 40 Prozent der Jobs hängen dran.

Aus dem Ausland kamen 2023 rund 14 Millionen Touristen, gut 13 Prozent mehr als 2022. Die allermeisten tanken Sonne in riesigen Hotelanlagen. Vom Boom profitieren nur wenige Einheimische. Die Kanaren gehören nach wie vor zu den ärmsten Regionen Spaniens.

Regionalpräsident Fernando Clavijo erklärte kürzlich, der vom Tourismus erzeugte Reichtum müsse besser verteilt werden. Schließlich profitiere die Branche von der Natur, »die allen gehört«. Erstaunliche Worte für einen Konservativen, die nur mit der angespannten Lage zu erklären sind.

»Wir führen keinen Krieg gegen Touristen oder Unternehmer der Branche«, versicherte CSE-Aktivist Jaime Coello in der Zeitung La Provincia. Auch sein Mitstreiter Felipe Ravina, Biologe und Dokumentarfilmer, wollte von einer »Turismofobia« nichts wissen. Die aktuellen Touristenzahlen seien halt nur »aus sozialer und ökologischer Sicht unhaltbar«.

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