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Aus: Ausgabe vom 15.04.2024, Seite 8 / Ansichten

Kontrollierte Eskalation

Angriff Irans auf Israel
Von Wiebke Diehl
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Über Jerusalem: Israelische Luftabwehr gegen iranischen Angriff (14.4.)

Israel habe 99 Prozent der Geschosse aus dem Iran abgefangen, vermeldete Armeesprecher Daniel Hagari den vermeintlichen Erfolg. Aber der Versuch, die Bedeutung des ersten, je von iranischem Territorium ausgeführten Angriffs auf Israel herunterzuspielen, verfing nicht. Nicht zuletzt, weil Teheran keinen Zweifel daran gelassen hat, dass es sich in seiner Lesart lediglich um einen Warnschuss handelt. Um eine kontrollierte Eskalation, auf die – im Falle einer israelischen Reaktion – noch weit mehr folgen könnte. Und die neben Israel auch dessen Unterstützer adressiert.

Denn der UN-Sicherheitsrat hat den Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus vom Ostermontag, den Teheran expressis verbis und dem Wiener Übereinkommen entsprechend als Attacke auf sein souveränes Territorium einstuft, nicht verurteilt. Und über Monate vermochte er genauso wenig, einen Waffenstillstand im Gazastreifen zu fordern oder gar durchzusetzen. Das Risiko eines längst schwelenden Flächenbrands im Auge, hat man das israelische Vorgehen im Gazastreifen und in Israels Nachbarländern – von mahnenden Worten einmal abgesehen – billigend in Kauf genommen, ja insbesondere durch die Lieferung von Waffen noch befördert.

Die jetzt aus dem »Wertewesten« erfolgenden Solidaritätsbekundungen mit Tel Aviv sind verlogen. Denn wer Israel, und vor allem dessen Bevölkerung, tatsächlich schützen will, muss aufhören, sie als Kanonenfutter für die Durchsetzung eigener geopolitischer Interessen zu missbrauchen und statt dessen auf Diplomatie und ernsthafte Verhandlungen setzen. Genau wie im Ukraine-Krieg gilt: Wer die dortige Bevölkerung sowie die Menschen im eigenen Land und der Welt vor einer unkontrollierbaren Explosion bewahren will, tut gut daran, endlich die sich verschiebenden Kräfteverhältnisse in Betracht zu ziehen. Insbesondere im globalen Süden, dessen Staaten sich längst nicht mehr als Vasallen missbrauchen lassen, hat sich die wahre Zeitenwende längst vollzogen. Darüber vermögen auch oft äußerst eigenwillige Interpretationen des Völkerrechts nicht hinwegzutäuschen.

Allen voran die Bundesrepublik Deutschland, die momentan als zweitgrößter Waffenlieferant Israels und wegen der Streichung von Geldern für das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge UNRWA, auf die die verhungernde Bevölkerung des Gazastreifens dringend angewiesen ist, vor dem Internationalen Gerichtshof steht, sollte dies besser heute als morgen verstehen. Denn wenn sie noch länger wartet, könnte es zu spät und Berlin international unwiederbringlich isoliert sein.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (14. April 2024 um 21:39 Uhr)
    Nein! Was wir hier sehen, ist eine inszenierte Gesichtswahrung des Irans, möglicherweise sogar mit stillschweigender Zustimmung der USA, um das Kriegsgetöse aus Netanjahus Lager einzudämmen. Doch dieses Taktieren bedeutet ein enormes Verlustgeschäft, bei dem Massen von billigen Drohnen gegen millionenteure Luftabwehrraketen verpulvert werden. Auf der anderen Seite könnte der Iran, wie Berichte nahelegen, einen Gefallen im Sinne einer Annäherung Israels an den Westen erweisen. Dennoch lehrt uns die Geschichte Israels unmissverständlich, dass Militärstärke und Gewalt weder Sicherheit noch Frieden bringen! Trotz der hochgerüsteten und bestens ausgebildeten israelischen Streitkräfte wäre ein Krieg mit dem Iran ohne die Unterstützung der USA nicht zu bewältigen. Das Märchen von David gegen Goliath findet in der Realität des Nahen Ostens von heute keine Entsprechung mehr. Ein kleines Land ohne ausreichende Wasserversorgung könnte einen »echten Krieg« einfach nicht überstehen. Wenn ich meine persönliche Meinung einfließen lassen darf: Israel hat geschickt angedeutet, dass die in ihrem Land stationierten US-Atomwaffen ihnen gehören könnten, ohne dies zu bestätigen. Gleichzeitig verleugnet der Iran hartnäckig den Besitz eigener Atomwaffen. Die Lage im Nahen und Mittleren Osten ist unglaublich komplex und eine Lösung ist leider nicht in Sicht.

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