4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 13.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Zukunftsmusik

Ein schönes Abenteuer: Das Jahr null eins

Von Marc Hieronimus
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Einfach mal nichts machen: Die besetzte Sorbonne (Mai 1968)

Kurz nach 1968 starte in der französischen Zeitschrift Hara Kiri (später Charlie Hebdo) eine wunderbare Comicserie namens »L’An 01« von Georges Blondeaux alias Gébé. Die Revolution beginnt mit ein paar Faulpelzen und einem »Manifest« von neun illustrierten Resolutionen: Alles wird angehalten. Die Wartezeit von fünf, vielleicht auch zwanzig Jahren wird zur Bildung genutzt, um jeden in die Lage zu versetzen, über den weiteren Gang der Dinge zu entscheiden. Auch das kommerzielle wie professionell-künstlerische Spektakel wird eingestellt (aber wie die Maschinen sorgfältig gepflegt); die befreiten Kräfte der Neugier, der Kreativität, der Vorstellungs- und kritischen Urteilskraft schaffen neue individuelle und kollektive Ausdrucksformen. Die Resolutionen müssen/dürfen nicht aufgezwungen werden, zumal ohnehin die Justiz abgeschafft wird. Alle Häuser sind öffentlich, die Schlüssel verschwinden aus den Schlössern; jeder hat das Recht, von allen Dingen Gebrauch zu machen, darf aber nichts entwenden.

Gébés faule Avantgardisten des Jahres 01 stoßen kaum auf Widerstand, führen auch keine provokativen Aktionen durch. Eine sehr frühe Seite ruft dazu auf, die letzten Jahre vor der Abschaffung der Arbeit zu genießen. Man solle keine Angst haben, sich eher darauf einstellen, zum Beispiel überhaupt nichts zu ändern. Die Menschen stehen auf, gehen zur Arbeit, jeder weiß, es ist nur Spaß, aber keiner lacht. Überall stehen Kästen herum, wie Kaninchenkäfige. In die steckt man seinen Kopf, wenn man es nicht mehr aushält und einfach mal loslachen muss. Der Comic wurde damals verfilmt, mit Hunderten Darstellern, darunter neben der Zeichner- und Schreibertruppe auch die erst später berühmt gewordenen Gérard Depardieu, Thierry Lhermitte, Daniel Auteuil und Christian Clavier. 17 Wochen lief der 17 Millionen alte Francs teure Film in Paris, 500.000 Eintrittskarten wurden verkauft, es gab in allen Städten Unruhen bei der Premiere, »ein schönes Abenteuer. Ein paar Leute erinnern sich daran«, hat Gébé in der Comicausgabe von 1983 geschrieben.

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