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Aus: Ausgabe vom 13.04.2024, Seite 8 / Inland
Repression

»Es gibt immer wieder neue Auflagen«

Provokationen durch Polizei auch bei Palästina-Protestcamp vor dem Bundestag. Ein Gespräch mit Jara B.
Interview: Yaro Allisat
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Seit dem 8. April haben palästinasolidarische Aktivisten ein Protestcamp auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude aufgebaut (Berlin, 11.4.2024)

Sie haben vor vier Tagen mit einigen Mitstreitern das Protestcamp »Besetzung gegen Besatzung« vor dem Bundestag aufgebaut, gemeinsam mit verschiedenen Gruppen und palästinasolidarischen Aktivistinnen und Aktivisten. Wie sieht es momentan vor Ort aus?

Das Camp ist jeden Tag gewachsen. Mittlerweile stehen hier mehr als 20 Zelte. Wir gehen davon aus, dass es noch mehr Menschen werden. Gleich am Montag haben wir eine Kunstausstellung aufgebaut. Da zeigen wir Gegenstände, die die israelische Regierung aus Gaza verbannt hat, um klarzumachen, was die Blockade bedeutet, und dass es nicht um Terrorbekämpfung geht. Wir stellen Kinderspielzeuge aus, Bücher, ein Hochzeitskleid, Koriander, Bohnen in Dosen und Schuhe. Auf der anderen Seite zeigen wir Dinge, die in Gaza erlaubt sind. Wir haben Modelle von Bomben, zum Beispiel von den 2.000-Pfund-Bomben, die in den USA produziert und aktuell über Gaza abgeworfen werden. Es gibt Munitionskisten, weil zum Beispiel Deutschland ja auch Munition für Israel zur Verfügung stellt. Daneben haben wir ein Programm aus politischen Workshops zu Gaza, dem Westjordanland oder der deutschen Waffenindustrie. Außerdem machen wir jeden Tag um 17 Uhr eine Kundgebung.

Wie lange wollen Sie dort bleiben? Und was wollen Sie erreichen?

Die Anmeldung geht bis Montag, wir wollen das aber verlängern, weil viel Bedarf und Begeisterung da ist. Gestern waren 150 Menschen bei der Kundgebung, von denen viele auch geblieben sind und ihre Ideen einbringen wollten. Wir haben eine Liste von Forderungen: Wir wollen Aufmerksamkeit darauf lenken, dass Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt wurde. Das ist eine schwerwiegende Anschuldigung, die unserer Meinung nach völlig berechtigt ist. Eine unserer wichtigsten Forderungen ist in diesem Sinne auch der Stopp aller deutschen Waffenexporte, vor allem nach Israel. Viele wissen gar nicht, dass seit Oktober fast die Hälfte der Waffenlieferungen an Israel aus Deutschland kommt.

Wir fordern, dass Deutschland das UN-Hilfswerk UNRWA wieder ausfinanziert, dass Deutschland aufhört, sich vor Kriegsverbrecher zu stellen, dass Politikerinnen und Politiker, die sich der Beihilfe zum Völkermord schuldig gemacht haben, politisch zur Verantwortung gezogen werden. Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende der Blockade, ein Ende der militärischen Besatzung Ostjerusalems, des Gazastreifens und des Westjordanlands und die Einhaltung der Menschenrechte für alle »between the river and the sea«. Und wir fordern, dass Deutschland aufhört, propalästinensische und palästinasolidarische Stimmen zu kriminalisieren und zu unterdrücken.

Am Dienstag hat die Polizei verboten, dass in dem Camp andere Sprachen als Englisch und Deutsch gesprochen werden. Wie steht es um den Kontakt zu Behörden und Polizei?

Es ist sehr schwierig. Sie geben uns immer wieder neue Auflagen. Zum Beispiel, dass wir keine Zelte im Boden verankern dürfen, obwohl es super windig ist. Zelte werden regelmäßig umgesetzt, weil sie angeblich nicht unter Bäumen stehen dürfen oder weil wir drei Meter vom Gehsteig entfernt sein sollen. Der Generator darf nicht auf der Wiese stehen. Bei der Auflage bezüglich Englisch und Deutsch handelte es sich um ein komplettes Verbot: Keine Musik, keine Gebete, keine Redebeiträge, keine Ausrufe. Am Dienstag war der letzte Tag des Ramadan, und selbstverständlich wollen Leute hier beten, und das ist ihr gutes Recht. Die Polizei hat aber gesagt, dass es eine politische Meinungsäußerung sei, hier auf Arabisch zu beten. Mehrmals ist die Polizei sehr aggressiv reingekommen und hat gefilmt. Der Einsatzleiter hat uns gesagt, dass er die Versammlung räumen lassen will, wenn es zu weiteren Vorfällen kommt. Wir haben dann abgewartet, und zwei Tage später hieß es, dass doch alles kein Problem sei.

Wie geht es nun weiter?

Menschen können gerne vorbeikommen und sich einbringen, zum Beispiel bei den Kundgebungen. Wir freuen uns auch über Essens- und Sachspenden. Am Wochenende wollen wir einen Livestream vom Palästina-Kongress machen, dafür brauchen wir noch ein großes Zelt.

Jara B. beteiligt sich am Protestcamp »Besetzung gegen Besatzung«

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