junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Dienstag, 7. Mai 2024, Nr. 106
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Cyberkriminalität

Datendiebstahl in Indonesien

Hackerangriffe auf größtes Geldinstitut des Landes. Betroffene geben Bank Mitschuld
Von Thomas Berger
imago0376143196h.jpg

»Bilang Aja Gak!« lautet der Titel, »Sag einfach Nein!« Mit einem Kurzfilm in den eigenen Social-Media-Kanälen und einigem mehr versucht die Bank Rakyat Indonesia (BRI), ihre Kunden für die Gefahren von Cyberkriminalität zu sensibilisieren. Die neue Aufklärungskampagne hat ihre Gründe: Zuhauf haben Menschen durch Kriminelle teils ihre gesamten Ersparnisse verloren. Viele Betroffene gaben im nachhinein der Bank eine Mitschuld.

Die BRI ist kein x-beliebiges Geldinstitut im größten Inselstaat der Welt, sondern mit über 30 Millionen Kunden und mehreren tausend Filialen eines der führenden Unternehmen der Branche. Die meisten derer, die der auch auf Mikrokredite spezialisierten BRI ihre Rupien anvertrauen, sind Kleinverdiener, die auf einem Konto mühsam gesparte Summen für spezielle Ausgaben oder Notfälle lagern. So wie Nih Lu Putu Rustini, die den Reportern von Al-Dschasira ihre Geschichte erzählte. Die Frau, die auf der besonders bei westlichen Urlaubern beliebten Insel Bali zu Hause ist, hat wie viele andere zwei Jobs, um über die Runden zu kommen. Tagsüber arbeitet sie als Reinigungskraft, abends als Nanny. Einen Riesenschreck erlebte sie, als sie für eine Hausrenovierung an ihre Rücklagen wollte. Immerhin 37 Millionen Rupien (nach aktuellem Kurs knapp 2.200 Euro) hatte sie über längere Zeit angespart. Als sie einen Großteil davon am Automaten abzuheben versuchte, spuckte der nichts aus. Ihr Konto sei fast leer, teilte ein Bankangestellter ihr auf Nachfrage mit – und wies jede Mitverantwortung der Bank für das Verschwinden des Geldes zurück.

Das National Resilience Institute (Lemhannas) hat im zurückliegenden Jahr durchschnittlich 2.200 Cyberangriffe landesweit registriert – pro Tag. Die Hacker sind mit ausgefeilten Programmen ganz groß im Datenklau: Einer der markantesten Fälle, erinnerte die Jakarta Post neulich, ereignete sich im November 2023. Auf der Hacker-Seite Breach Forums hatte ein Krimineller knapp 205 Millionen Datensätze aus dem Wählerregister zum Kauf angeboten. Im Grunde kein Wunder, war doch zuvor die Nationale Wahlkommission (KPU) gehackt worden, einer der größten Cyberangriffe in jüngster Zeit auf staatliche Institutionen. Als Beweis für die »Seriosität« seines Angebotes stellte der Unbekannte schon mal 500.000 Datensätze online – vollständige Namen, Geburtsdaten, Adressen und andere persönliche Angaben, die in der KPU-Datenbank hinterlegt sind.

Dass sich die Konzernspitze der BRI offenbar erst in allerjüngster Zeit mit der Herausforderung Datensicherheit und Kundensensibilisierung beschäftigt, mag verwundern. Auch Indonesiens führendes Bankhaus steht nicht erst seit gestern im Visier von Cyberkriminellen. So sah man sich bereits im Juli 2021 zu der peinlichen Offenlegung gezwungen, dass Hacker die Daten von rund zwei Millionen Kunden von BRI Life, der Versicherungstochter des Geldinstituts, gestohlen hatten. Besonders gravierend: In den erbeuteten hochsensiblen Dokumenten fanden sich jede Menge Einzeldaten zu Bankkonten, Ausweisdokumenten und Steuerzahlungen der betreffenden Personen – rund 250 Gigabyte Material. Über infizierte Rechner mehrerer Angestellter von BRI Life und auch der Mutterbank sollen die Täter in die Netzwerke gelangt sein, schrieb das Magazin Tempo über die Erkenntnisse eines Ermittlerteams der Datensicherheitsfirma Hudson Rock. Laut Fachleuten hat Indonesien generell enormen Nachholbedarf in Sachen effektiver Cybersicherheit, rangiere auf dem drittletzten Platz unter den G20-Staaten, wie es bei Al-Dschasira heißt. »Banken können diese Bedrohung nicht allein meistern«, erklärt der Informationschef der BRI seit neuestem gerne, und fordert staatliche Hilfe. Wie die BRI-Spitze in einem Update zum ersten Artikel von Al-Dschasira zitiert wird, befolge die Bank aber internationale Sicherheitsstandards. Zudem habe sie unter Leitung eines Experten ein Cybersicherheitsteam eingesetzt.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. Alle Standorte finden Sie unter diesem Link.

Ähnliche:

  • Mitglieder der Sahraui-Gemeinschaft in Spanien protestieren in L...
    27.12.2023

    »Wir wollten ein Netzwerk schaffen«

    Indonesien stoppt Radler auf Solidaritätstour für marokkanisch besetzte Westsahara. Ein Gespräch mit Sanna Ghotbi und Benjamin Ladraa
  • Mit der Einführung des digitalen Euro soll laut Bundesbankpräsid...
    21.10.2023

    Digitaler Euro in fünf Jahren

    EZB-Rat stimmt Einführung der Währung zu. Vorfreude bei Privatbanken, Skepsis bei Datenschützern
  • Supermarktalltag: An den Kassen wird es immer kryptischer, barge...
    30.06.2023

    Virtuelle Zahlungswelt

    EU-Kommission legt Gesetzespaket zu digitalem Euro vor. Spurenlose Geldtransfers nicht vorgesehen

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit