4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 12.04.2024, Seite 4 / Inland
Palästina-Kongress in Berlin

Angst vor Solidarität

Parteienbündnis formiert sich gegen Palästina-Kongress. Veranstalter befürchten Übergriffe
Von Jamal Iqrith
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Seit Montag protestieren Aktivisten vor dem Reichstagsgebäude in Berlin (11.4.2024)

Wer im Jahr 2024 eine deutsche Zeitung aufschlägt, liest Erstaunliches: Krieg gegen Zivilisten nennt sich »Selbstverteidigung« und der Aufruf zur Freiheit ist kriminell. Ähnlich absurd erscheint der Umgang mit dem für das Wochenende in Berlin geplanten »Palästina-Kongress«, zu dem mehr als 1.000 Teilnehmende erwartet werden. Sie haben vor, sich in der Hauptstadt über die Dekolonisierung Palästinas und die »deutsche Mitschuld am Völkermord an den Palästinensern in Gaza« auszutauschen.

Die Liste von Instrumenten, mit denen die von mehreren Zeitungen als »Hass-« und »Antisemiten-Gipfel« verleumdete Veranstaltung angegriffen wird, ist lang. Neben zahlreichen Beiträgen, die jeglicher Grundlage entbehren, mussten einzelne Aktivisten Hausdurchsuchen über sich ergehen lassen. Dem Verein »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«, der zu den Organisatoren zählt, sperrte die Sparkasse in dem Zusammenhang das Konto. Das alles geschieht, während sich die Bundesrepublik vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen verantworten muss.

Vergangene Woche hatten zahlreiche Parteijugendorganisationen zum »Widerstand« gegen die Veranstaltung geblasen. Die Jugendverbände von SPD, Union, FDP und Bündnis 90/Die Grünen forderten in einem gemeinsamen Aufruf den Bund und die Stadt Berlin auf, »gegen den Antisemitismus und die Terrorverherrlichung, die von dem ›Kongress‹ auszugehen drohen, laut zu werden«. Am Mittwoch sammelte sich unter der Ägide der für ihre antipalästinensische Hetze bekannten »Amadeu Antonio Stiftung« das sogenannte Bündnis gegen antisemitischen Terror, um gegen den Kongress zu mobilisieren. Im Aufruf des Bündnisses heißt es, man unterstütze die Initiative der Parteiorganisationen; Berlin dürfe nicht »zum Zentrum der Terrorverherrlichung« werden. Von dem Kongress erwarte man die »Verbreitung antisemitischen Hasses« sowie die »Verharmlosung des Hamas-Terrors am 7. Oktober 2023«.

Unterstützung erhielt das »Bündnis« von sechzehn Initiativen sowie Dutzenden Bundestagsabgeordneten der Ampelparteien und der Unionsfraktion sowie Politikern der Linkspartei. Der »Antisemitismusbeauftragte« der Bundesregierung, Felix Klein, zauberte am selben Tag ein weiteres Mittel zur Schikane aus dem Hut: Gegenüber dem RBB forderte er die »Prüfung eines Einreiseverbots« für den 86jährigen palästinensischen Autor Salman Abu Sitta und regte die »Prüfung der Gemeinnützigkeit« der »Jüdischen Stimme« an.

Ein Verbot der kompletten Veranstaltung scheint momentan nicht möglich, wie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf die Berliner Innenbehörde am Dienstag berichtet hatte. Diese erwäge jedoch, ob einzelne Teilnehmer ausgeschlossen werden können. Die Organisatoren der Veranstaltung befürchten indes, dass sie nur unter strengen polizeilichen Auflagen stattfinden kann, wie eine Sprecherin am Donnerstag gegenüber junge Welt erklärte. Den Tagungsort wolle man aus Angst vor »körperlichen Übergriffen durch Rassisten« erst an diesem Freitag bekanntgeben – viele Organisatoren seien jüdisch, muslimisch oder palästinensisch.

Für diesen Freitag haben die Veranstalter auch zu einer Pressekonferenz geladen, bei der man ebenfalls wegen der aktuellen Hetze körperliche Angriffe befürchte, sagte die Sprecherin. Wegen Hassbeiträgen auf Social-Media-Plattformen musste bereits der »Bardo Projektraum« in Berlin-Friedrichshain, in dem die Vorträge live übertragen werden sollten, laut eigenen Aussagen wegen Sicherheitsbedenken den Livestream zurückziehen. Weitere Orte, an denen der Kongress übertragen werden soll, sind vorgesehen. Unterstützung erhalten die Organisatoren – wenig überraschend – vor allem aus dem Ausland. So sprachen unter anderem die Friedensnobelpreisträgerinnen Tawakkol Karam und Jody Williams der Veranstaltung in Videobotschaften ihre Unterstützung aus.

Informationen zum Palästina Kongress und Livestream: https://palaestinakongress.de/

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